Kommentar
Die Opel-Lüge
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13. September 2009 Der Fall Opel stellt die Welt auf den Kopf. Gegen alle Vernunft und viele Mahnungen hat die deutsche Bundesregierung ihren Willen durchgesetzt: Opel wird aus dem amerikanischen Konzern General Motors herausgetrennt, mehr oder weniger verschenkt an ein wenig bekanntes österreichisch-russisch-kanadisches Konsortium und die Gewerkschaft IG Metall. Das Ganze wird garantiert und mutmaßlich finanziert vom deutschen Steuerzahler, dessen Meinung freilich bei diesem milliardenschweren Deal kaum zählte.
Die Politik schert sich nicht nur wenig um ihre Bürger. Sie ignoriert auch strikt alles, was üblicherweise zum Verhältnis von Staat und Markt von ihren Vertretern zum Besten gegeben wird: Dass Politik die Rahmenbedingungen setzt, innerhalb derer die Unternehmen handeln, steht so im Grundbuch der sozialen Marktwirtschaft. Im Fall Opel aber wird der Staat selbst zum wirtschaftlichen Akteur, greift ein in das Geschehen und gibt vor, er kenne die Zukunft eines Unternehmens besser als dessen Kunden, die sich entschieden haben, lieber andere Autos zu fahren.
Deutschland leistet sich mit "New Opel" eine teure Beschäftigungsgesellschaft
Um den Systembruch zu legitimieren, mussten über all die langen Opel-Monate hinweg eine ganze Reihe von Mythen und Lügen gezimmert und durch mehrfache Wiederholungen den Menschen eingehämmert werden. Da ist zuallererst die Behauptung, der Fall Opel habe irgendetwas mit der Finanzkrise zu tun. Das hat er natürlich nicht: Die Krise ("Überkapazitäten") der Automobilindustrie war auch in den boomenden Jahren zwischen 2002 und 2007 nicht zu übersehen; sie war öffentlich, und über sie wurde stets korrekt berichtet. GM und Opel haben schon vor der Finanzkrise Verluste gemacht. Vollends unglaubwürdig ist im Übrigen die gerne vorgenommene Unterscheidung zwischen tüchtigen "Opelanern" und unfähigen Amerikanern, die nur die Deutschen ausbeuten wollten.
Die Bankenrettung, daran kann nicht oft genug erinnert werden, sollte verhindern, dass die Geldversorgung der gesamten Volkswirtschaft zum Erliegen kommt, was den Wohlstand aller Menschen empfindlich berührt hätte. Die Angst mag übertrieben worden sein, ist aber nicht völlig von der Hand zu weisen. Dass aber die Autoversorgung auf deutschen Straßen und in deutschen Garagen gefährdet wäre, wenn es Opel nicht mehr gäbe, wurde glaubwürdig von Volkswagen und Daimler bestritten.
Es liegt auf der Hand, dass der unterstellte Zusammenhang zwischen Opel und der Finanzkrise den Analogieschluss plausibel machen sollte: Milliarden, welche der Commerzbank und der HRE recht sind, müssen für Opel billig sein. Dass die Regierung diesen Schluss selbst nicht ganz glauben wollte, zeigt sich daran, dass Kanzlerin und Vizekanzler die Entscheidung über die Opel-Hilfe den dafür zuständigen Notstandsgremien der Finanzkrise entzogen und zur nächtlichen Chefsache gemacht haben.
Zum Schluss wurde auch die (vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch gerne verwendete) Behauptung ad absurdum geführt, die Trennung von Opel und GM sei "marktnah" passiert, denn es habe ein Bietergefecht gegeben, über welches eine private Treuhandgesellschaft wachte, in der wirtschaftliche Fachleute anstatt beamtete Weisungsträger saßen. Von Bietern kann indes kaum gesprochen werden, wenn denen Geld nachgeworfen statt abgenommen wird. Und die von der Regierung in die Treuhand entsandten Fachleute haben zuletzt die Abspaltung von Opel öffentlich missbilligt und damit den politischen Charakter des Deals zum Missvergnügen der Bundesregierung aufgedeckt.
Somit bleibt nur eine Schlussfolgerung: Deutschland leistet sich mit "New Opel" eine aufwendige Beschäftigungsgesellschaft. Ob daraus jemals ein erfolgreiches Unternehmen werden wird, ist ein Versprechen, für welches bislang jegliche Plausibilität fehlt. Wenn der Staat einem Unternehmen Kredite gibt, welche die Banken aufgrund ihrer Prüfkriterien und trotz Staatsgarantien verweigern, muss etwas faul sein. Im Vergleich zur Dimension der "Opel-Rettung" kann man den Eingriff der Regierung Schröder bei Philipp Holzmann vor zehn Jahren als lässliche Sünde abtun.
So zu argumentieren sei kalt und herzlos, ist häufig zu hören. Der Staat müsse Arbeitsplätze retten, vor allem wenn es viele sind, heißt es dann. Doch warum soll die Politik ein Kleinunternehmen pleitegehen lassen, den Großkonzern aber retten? Der Hinweis, dass der Verlust vieler Jobs für Politiker wahlgefährdend sei, zeugt zwar von Verstand, aber noch nicht von Herzenswärme. Und warum "rettet" Berlin die 25 000 Jobs bei Opel, schert sich aber nicht um 50 000 Arbeitsplätze bei Arcandor? Sind die Jobs am Autofließband systemrelevanter als jene an der Kasse bei Karstadt?
Es ist eben nicht kalt oder herzlos, darauf hinzuweisen, dass der Sozialstaat über ein Netz verfügt, das Menschen absichert, auch wenn sie ihren Job verloren haben, und dass, wenn Unternehmen pleitegehen, andernorts neue Firmen entstehen, die neue Jobs anbieten. Herzlos ist, wer das verhindert.
Text: F.A.S.
Bildmaterial: dpa