Plattenspieler
Ein Leben für den analogen Klang
Von Gerold Lingnau
Präzision der Feinmechanik: Tangential-Tonarm TT I für Statement-Laufwerke
06. Oktober 2007 Welchen Tonträger wird es auch in hundert Jahren noch geben? Nein, nicht die CD, auch wenn sie heute milliardenfach verbreitet ist. Sie wird den Weg der Kompakt-Kassette, des DAT, der DCC und der Mini-Disc gehen - in die Vergessenheit. Alle diese Formate werden 2107 ebenso obsolet sein wie die Abspielgeräte verloren. Aber die Schallplatte wird überlebt haben, jenes schwarze Ding mit Rillen, das man schon im Aussterben wähnte und das sich zu neuem Ansehen hochgerappelt hat. Aus Schellack ist sie heuer schon 110, aus Vinyl als Langspielplatte immerhin 60 Jahre alt. Sie wird viele weitere Archiv-Jahrzehnte unbeschadet überstehen und noch spielbereit sein, wenn die letzte CD im Müll gelandet ist.
Mit dieser Zuversicht rennt man bei Peter Suchy weit offene Türen ein. Die analoge Schallplatte ist das Medium seines Lebens: Er glaubt an sie und hat mehr für sie getan, als es manchem großen Konzern in seiner besten Zeit nachgesagt werden konnte. Nicht nur, dass er zur Weltspitze der verbliebenen Hersteller von Laufwerken, Tonarmen und Tonabnehmern für Schallplatten gehört. Er kümmert sich auch um erstklassigen Nachschub an schwarzen Scheiben. Das 1978 von ihm gegründete Unternehmen Clearaudio in Erlangen ist der Angelpunkt seiner Aktivitäten. Die Lage außerhalb der Stadt, mitten im Grünen in einer ehemaligen Siemens-Betriebsstätte, darf nicht dazu verleiten, hier einen Hinterwäldler zu vermuten. 44 Beschäftigte arbeiten mit erfahrenen Händen und einem hochmodernen Maschinenpark für Suchy; das ist in High-End-Verhältnissen, wo kleine Manufakturen das Bild bestimmen, schon eine Großfabrikation. Aber Heuschrecken, die immer mal anfragen, haben keine Chance. Drei Kinder des Patrons, darunter eine Tochter, sind schon leitend im Unternehmen tätig, ergänzen sich nach Neigung und Ausbildung und vertragen sich sogar - der Traum vieler Mittelständler ist hier in Erfüllung gegangen.
Feingefühl und ein scharfes Auge
Mit Liebe: Statement-Detail
Trotz erfolgreicher Nachfolgeregelung legt Peter Suchy die Hände natürlich nicht in den Schoß. Er sieht sich weiter als Vordenker des Unternehmens, das neben Plattenspielern und ihren Komponenten auch Elektronik wie Verstärker, Netzkonditionierer und -filter, Zubehör sowie als Spezialität Schallplatten-Waschmaschinen und ein Gerät zum Planieren verwellter LPs herstellt. Der Clearaudio-Gründer kommt aus der Kerntechnik: Da sind ihm Mikrostrukturen ebenso vertraut wie kleinste Fertigungstoleranzen. Gute Voraussetzungen, um Erfolg in der letzten Bastion der Mechanik in der Unterhaltungselektronik zu haben, dort, wo es nicht ums beste Design von integrierten Schaltkreisen geht, sondern um minimale Lagerreibung, hochpräzise Rotationsgeschwindigkeit, wirksame Schwingungsdämpfung und optimalen Nadelschliff, dazu um Feingefühl und ein scharfes Auge - und ein ebenso vifes Ohr, wenn dann das Ergebnis beurteilt werden soll.
Drei wichtige Innovationen hat Peter Suchy zur Plattenspielertechnik und zum Erfolg von Clearaudio beigetragen. Da ist zum Ersten eine mechanisch, elektrisch und magnetisch absolut symmetrische Variante des Tonabnehmers in Moving-Coil-(MC-)Bauweise mit einem Wirkungsgrad, der um 30 Prozent besser ist als sonst üblich. Da ist als Zweites ein Tangential-Tonarm - mit ihm bleibt beim Abspielen der Winkel zwischen Nadel und Plattenrille über den gesamten Umfang der LP konstant -, der mit Hilfe von zwei Kugellagern den Abtastvorgang selbsttätig regelt. Und da ist drittens ein Phono-Vorverstärker mit optionaler Stromversorgung über Nickel-Metallhydrid-Akkus, der die zarten Signale von MC-Systemen besonders schonend für die folgenden Verstärkerstufen aufbereitet. Man sieht schon: Hier geht es längst nicht mehr um Basistechnik, sondern um High-Tech-Details. Dass dies alles aber L'art pour l'art sei, würde Suchy niemals gelten lassen. Letztlich entscheide das unbestechliche Ohr des Hörers über Maß und Nutzen solchen Fortschritts - und dem stelle man sich gern.
Nicht ganz günstig
Günstig für Einsteiger: Performance-Laufwerk für rund 2.000 Euro.
Unter vielen High-End-Beflissenen gilt die Vinylplatte gegenüber der CD als das schöner klingende und emotional ansprechendere Medium, gekonnte Aufnahmen und gute Wiedergabegeräte vorausgesetzt. Da ist kaum Platz für ganz Billiges, und obwohl Clearaudio Angebote in einer großen Preisspanne bereithält, muss selbst der Einsteiger schon ein wenig tiefer in die Tasche greifen. Für ihn sind eher komplett ausgerüstete Plattenspieler - „Laufwerks-Pakete“ - gedacht, die in Erlangen schon ab rund 1.000 Euro offeriert werden. Käufer mit höheren Weihen stellen sich ihr Gerät ebenso aus Einzelkomponenten zusammen, wie sie es bei einem wertvollen Fahrrad tun würden. Dann kostet schon das Laufwerk mindestens so viel wie das Anfänger-Paket, und nach oben hin sind kaum Grenzen gesetzt - allenfalls beim 350-Kilogramm-Boliden Statement für 75.000 Euro. Bei Tonarmen reicht das Preisgefüge von 570 bis fast 16.000 Euro (viele Laufwerke werden gleich mit mehreren davon bestückt), bei Tonabnehmern von 150 bis knapp 8.000 Euro.
Die Gemeinde, die solchen Aufwand treiben kann, ist denn auch auf der ganzen Welt verstreut - kein Wunder, dass der Exportanteil von Clearaudio bei 85 Prozent liegt und kein Land exotisch genug ist, um nicht auf einem Lieferschein aufzutauchen. Machen wir doch einfach die Hör-probe aufs Exempel. Peter Suchy weiß schon, wie: mit dem Laufwerkspaket Performance Black Pearl, bestückt mit dem Carbon-Tonarm Satisfy und dem Moving-Magnet-Abtaster Maestro Wood, alles zusammen für 2.000 Euro. Dieses Ensemble wurde gerade von der Londoner Sonntagszeitung „Mail on Sunday“ in einem seriösen Vergleichstest mit dem Titel „Best Buy“ ausgezeichnet - „zehn Millionen Leser“, freut sich der Prinzipal.
Edle Verarbeitung
Nur das Beste: Statement-Laufwerk, 350 Kilogramm, 75.000 Euro.
Die Erscheinung des Performance ist konventionell, der aus Schwingungsgründen abseits stehende Antriebsmotor mit Riemenübertragung auf dem Stand der Technik, die Verarbeitung erwartungsgemäß makellos. Doch die Finesse steckt im Detail. Der Acrylglas-Plattenteller dreht sich in einer Achse aus Keramik, sein Gewicht wird berührungsfrei von einem kräftigen Feld zwischen zwei Neodym-Magneten getragen. Die Zarge, die Basisplatte, ist ein steifer und gewichtiger Sandwich aus Aluminium und Acrylglas. Steif, aber leicht ist der Tonarm; die Lager seiner kardanischen Aufhängung würden auch ein teureres Angebot zieren. In seinem Inneren führt er die Kabel ohne Unterbrechung vom Abtaster bis zu den Ausgangsbuchsen. Der Tonabnehmer mit Holzkorpus und Diamantnadel kostet einzeln schon 625 Euro und ist technisch ebenfalls eng verwandt mit noch aufwendigeren Alternativen im Clearaudio-Programm. Sagt da noch einer etwas gegen den Paketpreis!
Aber lassen wir doch einfach den Performance selber sprechen - oder singen, zum Beispiel mit der Stimme von Fritz Wunderlich auf der von Clearaudio zusammen mit der Deutschen Grammophon neu aufgelegten Aufnahme von Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Der Zauber dieser vierzig Jahre alten Aufzeichnung erschließt sich dank Peter Suchys Arbeit ganz neu: Wie leibhaftig und lebhaft ist der Ausnahme-Tenor präsent; Hubert Giesens Klavierbegleitung füllt den Raum mit Verve und Delikatesse. Rund und warm und gar nicht nostalgisch ist der Klang, präzise kommen Artikulation und Anschlag. Die Musik drängt die Technik von Anfang an in den Hintergrund - und wäre doch nicht möglich ohne sie. Was macht es da schon aus, dass der CD-Verwöhnte zweimal aufstehen und die Scheibe umwenden muss? Peter Suchy lächelt. Gewiss, die Schallplatte ist unbequem zu handhaben, rauscht ein wenig, knackt manchmal und fasst allenfalls eine halbe Stunde Musik pro Seite. Aber was ist das gegen ihre Unsterblichkeit? Klang ist immer analog, resümiert er, also ist die Analog-Schallplatte das berufene Medium am Anfang der Wiedergabekette, klanglich garantiert unlimitiert und unkomprimiert. Sie ist es wert, ihr ein Lebenswerk zu widmen.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30.09.2007, Nr. 39 / Seite V16
Dienstag, 9. Oktober 2007
Sonntag, 7. Oktober 2007
Paul Weller im Konzert
Schmetterlinge im Suchscheinwerfer
Ein Mod im Manne: Der Britpop-Urahn Paul Weller mit einem Akustik-Programm in Köln
Im Foyer des Kölner Theaters am Tanzbrunnen tummeln sich drei Generationen Britpop und trinken Bier. Mancher hier hat den weiten Weg vom Mod zum Mann gemacht, weitaus mehr sind vermutlich erst als Mann zum Mod geworden. Einige tragen interessante Varianten des Wellerschen Fransenteppichs auf dem Kopf spazieren, und wer keine Haare mehr hat, hüllt sich zumindest in Fred Perry. Dazwischen stehen nachgerückte Jungfans, nicht weniger ergeben.
Man muss sich das wirklich noch einmal klarmachen: Der Mann, der heute hier spielt, hat mindestens 9,7 Prozent der britischen Popkultur erfunden, er ist aber auch der Pate jenes Wildlederschuh-Rockpops, den „Oasis“ in den späten Neunzigern so begnadet bräsig gegen die Wand gefahren haben. Es hat Weller nicht geschadet: Auch die wibbeligen „Arctic Monkeys“ beziehen sich auf ihn; man kann den silberhaarigen Vieltrinker, fünffachen Familienvater, herzlichen Schnöselpöbel und – ja, doch – „Modfather“ einfach nicht wegblenden, wenn man im englischen Pop-Omnibus mitfahren möchte.
Anfangs ein zorniger junger Beatle des Punk, ist Weller mit zunehmendem Alter immer mehr zu einem romantischen Proll im teuren Zwirn geworden. Er hängt viel mit Noel Gallagher rum und zieht nach zwölf Bier in einem Londoner Pub auch gerne schon mal über Bono her: Paul Weller, so viel steht fest, ist ein toller Typ. Und er hat einen Songkatalog angehäuft, der von ihm ähnlich jovial verwaltet wird, wie man es von Bob Dylan oder Neil Young kennt.
Weller-Konzerte sind Gottesdienste. Erst recht, wenn der Mann quasiakustisch auftritt und Nähe antäuscht. Entsprechend bietet sich im bestuhlten Tanzbrunnentheater ein lustiges Bild: Hunderte Britpopper in Abonnententheaterstühle gequetscht, unsicher umherguckend, ob sie auch die richtigen Plätze erwischt haben. Als Weller in schlichtem Schwarz um kurz nach neun mit seinem Adjutanten, dem Gitarristen Steve Cradock, die Bühne betritt, können sich etliche seiner Jünger schon nicht mehr auf den Sitzen halten. Beide Arme in die Luft gestreckt, stehen sie einfach nur da und starren Weller verklärt an. Der lässt sich nicht beeindrucken und singt sich erst einmal ein paar Songs lang warm.
Doch schnell wird klar: Diese Akustik-Versionen sind kein fader Aufguss. Im Gegenteil: Die vereinfachten Arrangements kitzeln neue Nuancen aus vielen Songs heraus, und Weller hat eine gute Auswahl getroffen. Neben einigen späten Solo-Songs (das brausende „All On a Misty Morning“, das geläutert swingende „I Wanna Make It Alright“) gibt es einige Kapriolen aus „The Jam“-Tagen: die alte B-Seite „The Butterfly Collector“ etwa, ein liedgewordenes Spinnennetz, das perfekt in die gegenwärtige Begeisterung für psychedelisierten Folk passt, und „Liza Radley“ – ein wunderschönes von Syd Barrett inspiriertes Lied über das Nichtdazugehörenwollen als Dazugehören.
Manches hier klingt, als ließe Douglas Sirk seine Filme am Sonntagnachmittag von einer Kindertheatergruppe wiederaufführen. Die Fans wissen es zu schätzen: Immer wieder werden überschwappende Bierbecher aus den Sitzreihen emporgereckt, immer wieder springen Menschen auf: Der gediegene Rahmen macht die Begeisterung noch anrührender.
Es wäre alles nur halb so famos, wenn die spaßige Denkmalsbejubelung nicht durch das Bühnentreiben gerechtfertigt würde. Aber was Weller und Cradock da oben bieten, ist sagenhaft präzise, oft wunderschön und teilweise atemberaubend. Cradock, seit Jahren Wellers Sidekick, ist für diesen Anlass der perfekte zweite Mann: Häufig als Britrock-Soldat geschmäht, tupft er den Songs hier wunderschöne Farbsprenkel auf und ersetzt auch schon einmal ein ganzes Streicherensemble. Bei der ersten Zugabe „Wild Wood“ sitzt dann niemand mehr, die Menschen drängen sich dicht vor der Bühne, und Weller kann sich jetzt aus der Nähe Nachbauten seiner Frisur anschauen. Nach anderthalb Stunden schlurft Weller mit Zigarette im Mund und wehenden Fransen – den getreuen Cradock untergehakt – von der Bühne. Die beiden haben soeben ein denkwürdiges Konzert gegeben. Backstage wartet das Bier.
Eric Pfeil
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.09.2007 Seite 40
Ein Mod im Manne: Der Britpop-Urahn Paul Weller mit einem Akustik-Programm in Köln
Im Foyer des Kölner Theaters am Tanzbrunnen tummeln sich drei Generationen Britpop und trinken Bier. Mancher hier hat den weiten Weg vom Mod zum Mann gemacht, weitaus mehr sind vermutlich erst als Mann zum Mod geworden. Einige tragen interessante Varianten des Wellerschen Fransenteppichs auf dem Kopf spazieren, und wer keine Haare mehr hat, hüllt sich zumindest in Fred Perry. Dazwischen stehen nachgerückte Jungfans, nicht weniger ergeben.
Man muss sich das wirklich noch einmal klarmachen: Der Mann, der heute hier spielt, hat mindestens 9,7 Prozent der britischen Popkultur erfunden, er ist aber auch der Pate jenes Wildlederschuh-Rockpops, den „Oasis“ in den späten Neunzigern so begnadet bräsig gegen die Wand gefahren haben. Es hat Weller nicht geschadet: Auch die wibbeligen „Arctic Monkeys“ beziehen sich auf ihn; man kann den silberhaarigen Vieltrinker, fünffachen Familienvater, herzlichen Schnöselpöbel und – ja, doch – „Modfather“ einfach nicht wegblenden, wenn man im englischen Pop-Omnibus mitfahren möchte.
Anfangs ein zorniger junger Beatle des Punk, ist Weller mit zunehmendem Alter immer mehr zu einem romantischen Proll im teuren Zwirn geworden. Er hängt viel mit Noel Gallagher rum und zieht nach zwölf Bier in einem Londoner Pub auch gerne schon mal über Bono her: Paul Weller, so viel steht fest, ist ein toller Typ. Und er hat einen Songkatalog angehäuft, der von ihm ähnlich jovial verwaltet wird, wie man es von Bob Dylan oder Neil Young kennt.
Weller-Konzerte sind Gottesdienste. Erst recht, wenn der Mann quasiakustisch auftritt und Nähe antäuscht. Entsprechend bietet sich im bestuhlten Tanzbrunnentheater ein lustiges Bild: Hunderte Britpopper in Abonnententheaterstühle gequetscht, unsicher umherguckend, ob sie auch die richtigen Plätze erwischt haben. Als Weller in schlichtem Schwarz um kurz nach neun mit seinem Adjutanten, dem Gitarristen Steve Cradock, die Bühne betritt, können sich etliche seiner Jünger schon nicht mehr auf den Sitzen halten. Beide Arme in die Luft gestreckt, stehen sie einfach nur da und starren Weller verklärt an. Der lässt sich nicht beeindrucken und singt sich erst einmal ein paar Songs lang warm.
Doch schnell wird klar: Diese Akustik-Versionen sind kein fader Aufguss. Im Gegenteil: Die vereinfachten Arrangements kitzeln neue Nuancen aus vielen Songs heraus, und Weller hat eine gute Auswahl getroffen. Neben einigen späten Solo-Songs (das brausende „All On a Misty Morning“, das geläutert swingende „I Wanna Make It Alright“) gibt es einige Kapriolen aus „The Jam“-Tagen: die alte B-Seite „The Butterfly Collector“ etwa, ein liedgewordenes Spinnennetz, das perfekt in die gegenwärtige Begeisterung für psychedelisierten Folk passt, und „Liza Radley“ – ein wunderschönes von Syd Barrett inspiriertes Lied über das Nichtdazugehörenwollen als Dazugehören.
Manches hier klingt, als ließe Douglas Sirk seine Filme am Sonntagnachmittag von einer Kindertheatergruppe wiederaufführen. Die Fans wissen es zu schätzen: Immer wieder werden überschwappende Bierbecher aus den Sitzreihen emporgereckt, immer wieder springen Menschen auf: Der gediegene Rahmen macht die Begeisterung noch anrührender.
Es wäre alles nur halb so famos, wenn die spaßige Denkmalsbejubelung nicht durch das Bühnentreiben gerechtfertigt würde. Aber was Weller und Cradock da oben bieten, ist sagenhaft präzise, oft wunderschön und teilweise atemberaubend. Cradock, seit Jahren Wellers Sidekick, ist für diesen Anlass der perfekte zweite Mann: Häufig als Britrock-Soldat geschmäht, tupft er den Songs hier wunderschöne Farbsprenkel auf und ersetzt auch schon einmal ein ganzes Streicherensemble. Bei der ersten Zugabe „Wild Wood“ sitzt dann niemand mehr, die Menschen drängen sich dicht vor der Bühne, und Weller kann sich jetzt aus der Nähe Nachbauten seiner Frisur anschauen. Nach anderthalb Stunden schlurft Weller mit Zigarette im Mund und wehenden Fransen – den getreuen Cradock untergehakt – von der Bühne. Die beiden haben soeben ein denkwürdiges Konzert gegeben. Backstage wartet das Bier.
Eric Pfeil
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.09.2007 Seite 40
Livekonzerte - ökonomische Bedeutung
Lebenslänglich: Zum Auftakt der Berliner Popkomm zerstört eine Studie den Mythos von der Jugendlichkeit der Rockmusik
Wenn Popmusik, wie Hegel einst schrieb, das sinnliche Scheinen einer dummen Idee ist, dann überrascht es nicht, dass uns dabei oft ein X für ein U vorgemacht wird: Pop als Inbegriff und angemessen lauter Ausdruck von Jugendlichkeit. Wie sich heute zeigt, ist das ein großer Bluff. Als in Großbritannien in diesem Frühjahr die Greisenband „The Zimmers“ mit einem neunzigjährigen Sänger „My Generation“ von „The Who“ coverte, da konnte man das noch für eine Kuriosität halten – schließlich lösten zeitgleich die Teenager von „Tokio Hotel“ bei Schülern im benachbarten Ausland einen Boom der deutschen Sprache aus. Doch das bleiben Randerscheinungen: Die Popbranche ist heute insgesamt genauso betagt wie jede andere Kulturindustrie auch.
Anlässlich der Musikmesse Popkomm in Berlin wurde gerade eine Studie des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft vorgestellt, die unsere Vorstellungen von Pop als Jugendbewegung als Mythos entlarvt. Der ist für das Marketing freilich so nützlich wie die Assoziation von schnellen Autos mit schönen Frauen. Vordergründig wird bestätigt, was man längst wusste: dass Konzerte als Wirtschaftsfaktor den Tonträgern den Rang abgelaufen haben. Während die Plattenbranche durch illegale Downloads und Raubkopien einen langsamen Tod stirbt, steigt der Umsatz mit Livemusik seit Jahren kontinuierlich an. Mit Musikevents wurden in Deutschland im ersten Halbjahr 2007 knapp 1,5 Milliarden Euro umgesetzt, mit Tonträgern (einschließlich legaler Downloads) gerade einmal die Hälfte davon. Zum Vergleich: Die gesamten Kinoumsätze summieren sich auf 360 Millionen Euro, also etwa ein Viertel.
Das ist kaum überraschend. Musik ist überall umsonst zu haben; für das in seiner auratischen Qualität technisch nicht reproduzierbare Liveerlebnis inklusive Leber- und Hörschäden greift man umso tiefer in die Tasche. Die Reunion- und Comeback-Welle dieses Popjahres, die in den meisten Fällen, etwa bei „The Police“, ohne einen einzigen neuen Song auskommt, folgt merkantilem Kalkül. Dagegen ist nichts zu sagen; wenn man damit nicht irgendwie noch Geld verdienen könnte, wäre Pop bald ein abgeschlossenes Sammelgebiet.
Der Teufel der Studie steckt im Detail, etwa in der Verteilung der Musiksparten in den jeweiligen Altersgruppen: Für Konzerte deutsch- und fremdsprachiger Popmusiker geben die Dreißig- bis Fünfzigjährigen das meiste Geld aus – noch mehr hat man nur für Musicals übrig. Und selbst bei denen zwischen fünfzig und sechzig liegen Popkonzerte mit Opernbesuchen und Klassik-Konzerten immer noch gleichauf. Noch deutlicher sind die Resultate bei der Altersstruktur einzelner Musikrichtungen: So liegt das Durchschnittsalter selbst für vermeintlich ganz junge Stile wie Hip-Hop, Alternative Rock oder House bei Ende zwanzig; immerhin noch ein Viertel aller Besucher von Hardrock-Konzerten ist älter als vierzig. Es gehen insgesamt ebenso viele Menschen über vierzig auf Rockkonzerte wie solche unter dreißig, sogar jeder fünfte Besucher eines deutschsprachigen Popkonzerts ist über fünfzig. Für Pop ist es also nie zu spät: Er ist kein Jugendstil, sondern eine nicht eben gesunde Lebensbeschäftigung, die beim raschen und vorzeitigen Altern behilflich sein kann.
Richard Kämmerlings
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.09.2007 Seite 44
Wenn Popmusik, wie Hegel einst schrieb, das sinnliche Scheinen einer dummen Idee ist, dann überrascht es nicht, dass uns dabei oft ein X für ein U vorgemacht wird: Pop als Inbegriff und angemessen lauter Ausdruck von Jugendlichkeit. Wie sich heute zeigt, ist das ein großer Bluff. Als in Großbritannien in diesem Frühjahr die Greisenband „The Zimmers“ mit einem neunzigjährigen Sänger „My Generation“ von „The Who“ coverte, da konnte man das noch für eine Kuriosität halten – schließlich lösten zeitgleich die Teenager von „Tokio Hotel“ bei Schülern im benachbarten Ausland einen Boom der deutschen Sprache aus. Doch das bleiben Randerscheinungen: Die Popbranche ist heute insgesamt genauso betagt wie jede andere Kulturindustrie auch.
Anlässlich der Musikmesse Popkomm in Berlin wurde gerade eine Studie des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft vorgestellt, die unsere Vorstellungen von Pop als Jugendbewegung als Mythos entlarvt. Der ist für das Marketing freilich so nützlich wie die Assoziation von schnellen Autos mit schönen Frauen. Vordergründig wird bestätigt, was man längst wusste: dass Konzerte als Wirtschaftsfaktor den Tonträgern den Rang abgelaufen haben. Während die Plattenbranche durch illegale Downloads und Raubkopien einen langsamen Tod stirbt, steigt der Umsatz mit Livemusik seit Jahren kontinuierlich an. Mit Musikevents wurden in Deutschland im ersten Halbjahr 2007 knapp 1,5 Milliarden Euro umgesetzt, mit Tonträgern (einschließlich legaler Downloads) gerade einmal die Hälfte davon. Zum Vergleich: Die gesamten Kinoumsätze summieren sich auf 360 Millionen Euro, also etwa ein Viertel.
Das ist kaum überraschend. Musik ist überall umsonst zu haben; für das in seiner auratischen Qualität technisch nicht reproduzierbare Liveerlebnis inklusive Leber- und Hörschäden greift man umso tiefer in die Tasche. Die Reunion- und Comeback-Welle dieses Popjahres, die in den meisten Fällen, etwa bei „The Police“, ohne einen einzigen neuen Song auskommt, folgt merkantilem Kalkül. Dagegen ist nichts zu sagen; wenn man damit nicht irgendwie noch Geld verdienen könnte, wäre Pop bald ein abgeschlossenes Sammelgebiet.
Der Teufel der Studie steckt im Detail, etwa in der Verteilung der Musiksparten in den jeweiligen Altersgruppen: Für Konzerte deutsch- und fremdsprachiger Popmusiker geben die Dreißig- bis Fünfzigjährigen das meiste Geld aus – noch mehr hat man nur für Musicals übrig. Und selbst bei denen zwischen fünfzig und sechzig liegen Popkonzerte mit Opernbesuchen und Klassik-Konzerten immer noch gleichauf. Noch deutlicher sind die Resultate bei der Altersstruktur einzelner Musikrichtungen: So liegt das Durchschnittsalter selbst für vermeintlich ganz junge Stile wie Hip-Hop, Alternative Rock oder House bei Ende zwanzig; immerhin noch ein Viertel aller Besucher von Hardrock-Konzerten ist älter als vierzig. Es gehen insgesamt ebenso viele Menschen über vierzig auf Rockkonzerte wie solche unter dreißig, sogar jeder fünfte Besucher eines deutschsprachigen Popkonzerts ist über fünfzig. Für Pop ist es also nie zu spät: Er ist kein Jugendstil, sondern eine nicht eben gesunde Lebensbeschäftigung, die beim raschen und vorzeitigen Altern behilflich sein kann.
Richard Kämmerlings
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.09.2007 Seite 44
RESTEK DVB-S-TUNER
Eine Idee für ein nicht ganz preisgünstiges Weihnachtsgeschenk
High-End-Radio aus dem Orbit Ein Tuner von Restek für den digitalen Satellitenempfang / Elektronische Edelware zur hochwertigen HiFi-Anlage
In feinsten HiFi-Anlagen von anno dazumal gehörte der Radio-Tuner zu den wichtigsten Bausteinen. Audiophile diskutierten in den einschlägigen Fachmagazinen seitenlang über den optimalen Kompromiss zwischen wünschenswerter Trennschärfe und verzerrungsarmem Wohlklang, Konstrukteurs-Koryphäen wie der UKW-Papst Reinhard Wieschhoff van Rijn genossen Kultstatus.
Heute hat das Radiohören etwas vergleichsweise Profanes; wir tun es im Auto, in der Küche und sogar unter der Dusche. Aber zum genussvollen Lauschen greifen wir doch lieber zum Tonträger. Schade eigentlich – und seit zwei Jahren auch gar nicht mehr gerechtfertigt: Im September 2005 stellte die ARD sämtliche Hörfunksender in digitale Kanäle der Satellitenflotte Astra; seither melden sich all diese Stationen mit bis zu 320 Kilobit je Sekunde nach dem Übertragungsstandard DVB-S aus dem Orbit, nach derselben Übertragungsnorm also, die uns auch die digitalen Fernsehprogramme ins Wohnzimmer bringt. Damit erreichen die Radioprogramme eine Qualität, die sich nicht länger hinter den Klängen der CD verstecken muss. Mehr noch: der WDR und der Bayerische Rundfunk übertragen regelmäßig ihre klassischen Konzert-Highlights im 5.1-Mehrkanalton Dolby Digital. Wer mag, holt sich damit über die Heimkino-Anlage buchstäblich die Konzertarena oder das Aufnahmestudio in die eigenen vier Wände. Und weil ganz Europa mittlerweile die DVB-Kanäle für den Hörfunk nutzt, tummeln sich dort Hunderte Radiostationen jeglicher Provenienz.
Bisher allerdings mussten Radio-Genießer eine der Großserien-Settop-Boxen für digitales Fernsehen als Radio-Empfangsbaustein nutzen – keine ideale Lösung für HiFi-Gourmets. Denn den preisgünstigen Digitalschachteln für Bild und Ton fehlt nicht nur der seriöse Auftritt, den die Gesellschaft hochklassiger HiFi-Komponenten eigentlich verlangt, sondern ihnen fehlen auch jene Zutaten, mit denen sich High-End-Geräte von Alltags-HiFi akustisch absetzen.
Was also liegt da näher, als endlich einmal einen Satellitentuner zu bauen, der sich nur um hehre Klänge kümmert – dies aber mit einer Akribie, die jedes HiFi-Ensemble adelt? Nicht nur wir haben uns diese Frage immer wieder gestellt; auch Burckhardt Schwäbe tat es, Insidern noch bekannt als Inspirator der HiFi-Baureihe Fine Arts von Grundig. Einen passenden Partner fand Schwäbe schließlich in Adrianus Elschot, Chef der hessischen High-End-Schmiede Restek.
Der ließ seine Ingeniere sofort auf das Projekt los, und nach gerade einmal einem halben Jahr Entwicklungszeit präsentierten die Herren einen auf den Namen Mini Sat getauften Tuner, der mit dicker Frontplatte und einem Einsatzgewicht von fast vier Kilogramm signalisiert: Hier tritt elektronische Edelware an. Besonders schwer wiegt in dem zierlichen Baustein der kräftige Ringkern-Transformator. Der sorgt nicht nur für reichliche Stromreserven für die in dieser Hinsicht anspruchsvollen analogen Ausgangsstufen; er arbeitet auch mit geringeren Stör-Emissionen als die winzigen Trafos in den leichteren, modernen Schaltnetzteilen.
Ein weiteres wichtiges Konstruktionsdetail: Spezielle Baugruppen sorgen für eine galvanische Trennung der Satelliten-Eingangsstufe vom Rest der Signalverarbeitung. So vermeidet der Tuner lästige Brummstörungen, die bei einfachen Geräten immer dann auftreten, wenn es zwischen Empfänger und Antennenanlage elektrische Potentialunterschiede gibt – durchaus kein seltenes Phänomen.
Fortgeschrittene Digital-Adepten dürften sich noch für eine weitere Besonderheit erwärmen: Die Audio-Signalverarbeitung des Restek-Tuners erlaubt das sogenannte Upskaling: Wer mag, kann das Bitraster des Tons nahezu beliebig verfeinern – bis hin zur Abtastrate 192 Kilohertz und zu 24-Bit-Auflösung. Das kann den Klang, speziell mit externen Digital-Analog-Wandlern, durchaus noch einmal um eine Nuance veredeln.
Die Installation des Geräts geht flott von der Hand: Ein Antennenkabel stellt die Verbindung zur Satellitenschüssel her, ein Cinch-Kabel nimmt Kontakt mit dem Verstärker auf. Als Alternative sind auch digitale Tonverbindungen möglich; ein elektrischer und ein optischer Ausgang halten sich für den Datentransfer bereit. Fertig verkabelt, kann der kleine Restek sofort loslegen: Einschalten und mit dem Drehknopf auf der Frontplatte den gewünschten Sender auswählen, das ist alles, was das Gerät an Vorarbeiten verlangt, denn die Standard-Konfigurationen für den Astra-Empfang sind bereits ab Werk programmiert. Der Sendername erscheint, wie in der digitalen Radiowelt üblich, als Klartext auf dem Display, ebenso wie Texte, die als Zusatzinformationen ausgestrahlt werden.
Natürlich kann man später, auch mit Hilfe der Fernbedienung, eine Fülle zusätzlicher Justage-Arbeiten vornehmen. So warten zum Beispiel 99 Stationsspeicher darauf, sich die Lieblingsstationen des Hörers zu merken, und die Digitalausgänge lassen sich speziell für die Surround-Ausgabe einstellen – um nur einige der vielen Optionen zu nennen.
Der Klang des zierlichen Restek hat uns schlicht begeistert. Dass digitales Astra-Radio wesentlich transparenter, detailreicher, dynamischer und kräftiger klingt als UKW-Ausstrahlungen, ist uns aus alltäglicher Hörerfahrung längst bekannt. Wir sind andererseits hinlänglich vertraut mit dem Phänomen, dass auch die gelegentlichen Sünden der Hörfunk-Tonmeister, also der Einsatz von Kompressoren und anderer Klangverderber, via Digitalfunk noch deutlicher zutage treten – leider. Der Restek aber zeigt: Alles Gute aus dem Orbit kann noch gandioser tönen, plastischer, mit noch klarer konturierten Bässen und mit filigranerer Feinzeichnung. Keine der Großserien-Settop-Boxen für digitales Fernsehen reicht an dieses Niveau heran. Das rechtfertigt selbst die stolze Preisdifferenz: Um 990 Euro verlangt der Restek-Händler für den ersten echten High-End-Tuner des Digitalzeitalters. WOLFGANG TUNZE
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.09.2007 Seite T2
High-End-Radio aus dem Orbit Ein Tuner von Restek für den digitalen Satellitenempfang / Elektronische Edelware zur hochwertigen HiFi-Anlage
In feinsten HiFi-Anlagen von anno dazumal gehörte der Radio-Tuner zu den wichtigsten Bausteinen. Audiophile diskutierten in den einschlägigen Fachmagazinen seitenlang über den optimalen Kompromiss zwischen wünschenswerter Trennschärfe und verzerrungsarmem Wohlklang, Konstrukteurs-Koryphäen wie der UKW-Papst Reinhard Wieschhoff van Rijn genossen Kultstatus.
Heute hat das Radiohören etwas vergleichsweise Profanes; wir tun es im Auto, in der Küche und sogar unter der Dusche. Aber zum genussvollen Lauschen greifen wir doch lieber zum Tonträger. Schade eigentlich – und seit zwei Jahren auch gar nicht mehr gerechtfertigt: Im September 2005 stellte die ARD sämtliche Hörfunksender in digitale Kanäle der Satellitenflotte Astra; seither melden sich all diese Stationen mit bis zu 320 Kilobit je Sekunde nach dem Übertragungsstandard DVB-S aus dem Orbit, nach derselben Übertragungsnorm also, die uns auch die digitalen Fernsehprogramme ins Wohnzimmer bringt. Damit erreichen die Radioprogramme eine Qualität, die sich nicht länger hinter den Klängen der CD verstecken muss. Mehr noch: der WDR und der Bayerische Rundfunk übertragen regelmäßig ihre klassischen Konzert-Highlights im 5.1-Mehrkanalton Dolby Digital. Wer mag, holt sich damit über die Heimkino-Anlage buchstäblich die Konzertarena oder das Aufnahmestudio in die eigenen vier Wände. Und weil ganz Europa mittlerweile die DVB-Kanäle für den Hörfunk nutzt, tummeln sich dort Hunderte Radiostationen jeglicher Provenienz.
Bisher allerdings mussten Radio-Genießer eine der Großserien-Settop-Boxen für digitales Fernsehen als Radio-Empfangsbaustein nutzen – keine ideale Lösung für HiFi-Gourmets. Denn den preisgünstigen Digitalschachteln für Bild und Ton fehlt nicht nur der seriöse Auftritt, den die Gesellschaft hochklassiger HiFi-Komponenten eigentlich verlangt, sondern ihnen fehlen auch jene Zutaten, mit denen sich High-End-Geräte von Alltags-HiFi akustisch absetzen.
Was also liegt da näher, als endlich einmal einen Satellitentuner zu bauen, der sich nur um hehre Klänge kümmert – dies aber mit einer Akribie, die jedes HiFi-Ensemble adelt? Nicht nur wir haben uns diese Frage immer wieder gestellt; auch Burckhardt Schwäbe tat es, Insidern noch bekannt als Inspirator der HiFi-Baureihe Fine Arts von Grundig. Einen passenden Partner fand Schwäbe schließlich in Adrianus Elschot, Chef der hessischen High-End-Schmiede Restek.
Der ließ seine Ingeniere sofort auf das Projekt los, und nach gerade einmal einem halben Jahr Entwicklungszeit präsentierten die Herren einen auf den Namen Mini Sat getauften Tuner, der mit dicker Frontplatte und einem Einsatzgewicht von fast vier Kilogramm signalisiert: Hier tritt elektronische Edelware an. Besonders schwer wiegt in dem zierlichen Baustein der kräftige Ringkern-Transformator. Der sorgt nicht nur für reichliche Stromreserven für die in dieser Hinsicht anspruchsvollen analogen Ausgangsstufen; er arbeitet auch mit geringeren Stör-Emissionen als die winzigen Trafos in den leichteren, modernen Schaltnetzteilen.
Ein weiteres wichtiges Konstruktionsdetail: Spezielle Baugruppen sorgen für eine galvanische Trennung der Satelliten-Eingangsstufe vom Rest der Signalverarbeitung. So vermeidet der Tuner lästige Brummstörungen, die bei einfachen Geräten immer dann auftreten, wenn es zwischen Empfänger und Antennenanlage elektrische Potentialunterschiede gibt – durchaus kein seltenes Phänomen.
Fortgeschrittene Digital-Adepten dürften sich noch für eine weitere Besonderheit erwärmen: Die Audio-Signalverarbeitung des Restek-Tuners erlaubt das sogenannte Upskaling: Wer mag, kann das Bitraster des Tons nahezu beliebig verfeinern – bis hin zur Abtastrate 192 Kilohertz und zu 24-Bit-Auflösung. Das kann den Klang, speziell mit externen Digital-Analog-Wandlern, durchaus noch einmal um eine Nuance veredeln.
Die Installation des Geräts geht flott von der Hand: Ein Antennenkabel stellt die Verbindung zur Satellitenschüssel her, ein Cinch-Kabel nimmt Kontakt mit dem Verstärker auf. Als Alternative sind auch digitale Tonverbindungen möglich; ein elektrischer und ein optischer Ausgang halten sich für den Datentransfer bereit. Fertig verkabelt, kann der kleine Restek sofort loslegen: Einschalten und mit dem Drehknopf auf der Frontplatte den gewünschten Sender auswählen, das ist alles, was das Gerät an Vorarbeiten verlangt, denn die Standard-Konfigurationen für den Astra-Empfang sind bereits ab Werk programmiert. Der Sendername erscheint, wie in der digitalen Radiowelt üblich, als Klartext auf dem Display, ebenso wie Texte, die als Zusatzinformationen ausgestrahlt werden.
Natürlich kann man später, auch mit Hilfe der Fernbedienung, eine Fülle zusätzlicher Justage-Arbeiten vornehmen. So warten zum Beispiel 99 Stationsspeicher darauf, sich die Lieblingsstationen des Hörers zu merken, und die Digitalausgänge lassen sich speziell für die Surround-Ausgabe einstellen – um nur einige der vielen Optionen zu nennen.
Der Klang des zierlichen Restek hat uns schlicht begeistert. Dass digitales Astra-Radio wesentlich transparenter, detailreicher, dynamischer und kräftiger klingt als UKW-Ausstrahlungen, ist uns aus alltäglicher Hörerfahrung längst bekannt. Wir sind andererseits hinlänglich vertraut mit dem Phänomen, dass auch die gelegentlichen Sünden der Hörfunk-Tonmeister, also der Einsatz von Kompressoren und anderer Klangverderber, via Digitalfunk noch deutlicher zutage treten – leider. Der Restek aber zeigt: Alles Gute aus dem Orbit kann noch gandioser tönen, plastischer, mit noch klarer konturierten Bässen und mit filigranerer Feinzeichnung. Keine der Großserien-Settop-Boxen für digitales Fernsehen reicht an dieses Niveau heran. Das rechtfertigt selbst die stolze Preisdifferenz: Um 990 Euro verlangt der Restek-Händler für den ersten echten High-End-Tuner des Digitalzeitalters. WOLFGANG TUNZE
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.09.2007 Seite T2
Bruce Springsteen - Magic
Schallplatten und Phono
Der amerikanische Freund
Es lebe die mittlere Periode: Bruce Springsteen klingt wieder klar
Es ist lange, sicher mehr als zwanzig Jahre her, dass Bruce Springsteen eine richtige, das heißt: die Balance aus Breitbeinigkeit und Empfindsamkeit haltende Bruce-Springsteen-Platte gemacht hat. Dabei war es in all der Zeit durchaus nicht so, dass der, wie man hört, immer noch zufriedene Familienvater nicht fleißig gewesen wäre. Aber irgendetwas fehlte: die fiebrige und, von einem gewissen Punkt an, natürlich nur noch zusammengeklaute Romantik, die einst den schwitzenden Ehrgeiz des Aufsteigers verriet, der Springsteen ganz am Anfang ja wirklich war und der in seinem Erlebnishunger mehr mit dem Eckensteher-Rhythm-&-Blues von, sagen wir, „Mink DeVille“ zu tun hatte als mit richtigem Rock ’n’ Roll.
Nun kommt er uns mit einer Platte, die, wieder produziert vom Mainstream-Experten Brendan O’Brien, der für einen körnig-dichten Klang sorgt, einfach „Magic“ heißt und auf der die wieder gnädig hinzugezogene „E Street Band“ rumpelt und donnert, was das Zeug hält – so wuchtig und unverhohlen gitarren- und saxophonlastig hat man den Boss und die Seinen tatsächlich lange nicht gehört. Klingt das „Radio Nowhere“ mit der Metapher von der verlorenen Telefonnummer und der Unzufriedenheit über das Radioprogramm noch nach solidem, aber nun doch schon etwas abgestandenem Ältere-Herren-Rock mit kulturpessimistischer Duftnote, so greift „You’ll Be Comin’ Down“ einem direkt ans Herz: Das ist akkurat der gute, alte Desillusionismus, mit dem dieser Möchtegern-Jedermann groß wurde.
Wenn er sich dann in den scharfkantigen Shuffle von „Livin’ in the Future“ reinhängt, dann fragt man sich, warum er so viel Zeit und Energie verschwendet an Musik, die eben nicht diese strukturelle Klarheit atmet, wie wir sie aus der klassischen Phase zwischen „Born To Run“ (1975) und „Born In The U.S.A.“ (1984) kennen. Das Lied vereinigt das Beste aus „Tenth Avenue Freeze-Out“ und „Cover Me“ in sich: die aggressiv herausgeschriene Hilflosigkeit des Außenseiters und die Zuversicht des Durchschnittstypen, dessen Herz heiß genug ist, um einer schönen Frau zu sagen, dass sie’s schlechter treffen könnte als mit einem wie ihm.
Wenn man sich fragt, was einem am späten Springsteen am meisten auf die Nerven ging, dann muss man wohl sagen: dieses Geigengefiedel, das wohl irgendwie an den Bob Dylan der „Desire“-Zeit erinnern sollte, aber zu ihm überhaupt nicht passte. Es wirkte irgendwie frömmelnd und weckte ungute Erinnerungen an den Mittsiebziger-Johnny Cash. Ganz lassen kann Springsteen es diesmal auch nicht, und so ist „Your Own Worst Enemy“ eindeutig einer der schwächeren Songs. „Gypsy Biker“ bedient sich, mit klassischem Mundharmonika-Intro und einem Gesang, in dem Dringlichkeit und Verzagtheit so unnachahmlich zusammenkommen, uralter, aber immer noch wirksamer Chiffren der Fortbewegung als exemplarischer, einzig sinnvoller Lebensweise – and the night stood still.
Wie alt Bruce Springsteen aber geworden ist – in zwei Jahren wird er sechzig –, merkt man in dem musikalisch ebenfalls ansprechenden „Girls in their Summer Clothes“: Der Boss hat sich eine Joppe übergezogen und lungert erwartungsvoll an der Straße herum, „the girls in their summer clothes pass me by“, und so, wie ihn die ganz auf maskulin getrimmten Booklet-Fotos jetzt wieder zeigen, mit Ziegenbart und Unterbiss, haben die Girls auch keinen Grund dazu, vor ihm stehenzubleiben.
Obwohl der Titelsong zeigt, wie wenig Springsteen die verhaltene, nur auf einen hübschen Einfall setzende Spielweise liegt, ist „Magic“ ein überzeugendes, erfreuliches, fast zeitloses Album geworden, mit allerdings wieder recht deutlichen politischen, also pessimistischen Untertönen. In seiner latent verzweifelten Fiebrigkeit und melodiösen Kraft vereinigt es die Tugenden der mittleren Ära in sich, um derentwillen Springsteen einst so bedeutend wurde. Es ist der Glaube nicht so sehr daran, dass es irgendwie immer weitergeht – das wäre zu wenig –, sondern daran, dass es so etwas wie Veränderung und Neubeginn gibt: „Everybody has a reason to begin again.“ Niemand kann diese Zeile, aus dem überragenden „Long Way Home“, so singen wie Springsteen.
Nach langer Zeit hat der Boss wieder etwas vorgelegt, wovon seine Musik lebt: die Studie eines genau beobachteten Durchschnittsmilieus, das längst nicht mehr sein eigenes ist, mit dem er sich aber auf den einen entscheidenden Nenner immer noch einigen kann. Sein Name ist Rock ’n’ Roll. EDO REENTS
Bruce Springsteen, Magic. Columbia/Sony BMG 17060
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 02.10.2007 Seite 40
Der amerikanische Freund
Es lebe die mittlere Periode: Bruce Springsteen klingt wieder klar
Es ist lange, sicher mehr als zwanzig Jahre her, dass Bruce Springsteen eine richtige, das heißt: die Balance aus Breitbeinigkeit und Empfindsamkeit haltende Bruce-Springsteen-Platte gemacht hat. Dabei war es in all der Zeit durchaus nicht so, dass der, wie man hört, immer noch zufriedene Familienvater nicht fleißig gewesen wäre. Aber irgendetwas fehlte: die fiebrige und, von einem gewissen Punkt an, natürlich nur noch zusammengeklaute Romantik, die einst den schwitzenden Ehrgeiz des Aufsteigers verriet, der Springsteen ganz am Anfang ja wirklich war und der in seinem Erlebnishunger mehr mit dem Eckensteher-Rhythm-&-Blues von, sagen wir, „Mink DeVille“ zu tun hatte als mit richtigem Rock ’n’ Roll.
Nun kommt er uns mit einer Platte, die, wieder produziert vom Mainstream-Experten Brendan O’Brien, der für einen körnig-dichten Klang sorgt, einfach „Magic“ heißt und auf der die wieder gnädig hinzugezogene „E Street Band“ rumpelt und donnert, was das Zeug hält – so wuchtig und unverhohlen gitarren- und saxophonlastig hat man den Boss und die Seinen tatsächlich lange nicht gehört. Klingt das „Radio Nowhere“ mit der Metapher von der verlorenen Telefonnummer und der Unzufriedenheit über das Radioprogramm noch nach solidem, aber nun doch schon etwas abgestandenem Ältere-Herren-Rock mit kulturpessimistischer Duftnote, so greift „You’ll Be Comin’ Down“ einem direkt ans Herz: Das ist akkurat der gute, alte Desillusionismus, mit dem dieser Möchtegern-Jedermann groß wurde.
Wenn er sich dann in den scharfkantigen Shuffle von „Livin’ in the Future“ reinhängt, dann fragt man sich, warum er so viel Zeit und Energie verschwendet an Musik, die eben nicht diese strukturelle Klarheit atmet, wie wir sie aus der klassischen Phase zwischen „Born To Run“ (1975) und „Born In The U.S.A.“ (1984) kennen. Das Lied vereinigt das Beste aus „Tenth Avenue Freeze-Out“ und „Cover Me“ in sich: die aggressiv herausgeschriene Hilflosigkeit des Außenseiters und die Zuversicht des Durchschnittstypen, dessen Herz heiß genug ist, um einer schönen Frau zu sagen, dass sie’s schlechter treffen könnte als mit einem wie ihm.
Wenn man sich fragt, was einem am späten Springsteen am meisten auf die Nerven ging, dann muss man wohl sagen: dieses Geigengefiedel, das wohl irgendwie an den Bob Dylan der „Desire“-Zeit erinnern sollte, aber zu ihm überhaupt nicht passte. Es wirkte irgendwie frömmelnd und weckte ungute Erinnerungen an den Mittsiebziger-Johnny Cash. Ganz lassen kann Springsteen es diesmal auch nicht, und so ist „Your Own Worst Enemy“ eindeutig einer der schwächeren Songs. „Gypsy Biker“ bedient sich, mit klassischem Mundharmonika-Intro und einem Gesang, in dem Dringlichkeit und Verzagtheit so unnachahmlich zusammenkommen, uralter, aber immer noch wirksamer Chiffren der Fortbewegung als exemplarischer, einzig sinnvoller Lebensweise – and the night stood still.
Wie alt Bruce Springsteen aber geworden ist – in zwei Jahren wird er sechzig –, merkt man in dem musikalisch ebenfalls ansprechenden „Girls in their Summer Clothes“: Der Boss hat sich eine Joppe übergezogen und lungert erwartungsvoll an der Straße herum, „the girls in their summer clothes pass me by“, und so, wie ihn die ganz auf maskulin getrimmten Booklet-Fotos jetzt wieder zeigen, mit Ziegenbart und Unterbiss, haben die Girls auch keinen Grund dazu, vor ihm stehenzubleiben.
Obwohl der Titelsong zeigt, wie wenig Springsteen die verhaltene, nur auf einen hübschen Einfall setzende Spielweise liegt, ist „Magic“ ein überzeugendes, erfreuliches, fast zeitloses Album geworden, mit allerdings wieder recht deutlichen politischen, also pessimistischen Untertönen. In seiner latent verzweifelten Fiebrigkeit und melodiösen Kraft vereinigt es die Tugenden der mittleren Ära in sich, um derentwillen Springsteen einst so bedeutend wurde. Es ist der Glaube nicht so sehr daran, dass es irgendwie immer weitergeht – das wäre zu wenig –, sondern daran, dass es so etwas wie Veränderung und Neubeginn gibt: „Everybody has a reason to begin again.“ Niemand kann diese Zeile, aus dem überragenden „Long Way Home“, so singen wie Springsteen.
Nach langer Zeit hat der Boss wieder etwas vorgelegt, wovon seine Musik lebt: die Studie eines genau beobachteten Durchschnittsmilieus, das längst nicht mehr sein eigenes ist, mit dem er sich aber auf den einen entscheidenden Nenner immer noch einigen kann. Sein Name ist Rock ’n’ Roll. EDO REENTS
Bruce Springsteen, Magic. Columbia/Sony BMG 17060
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 02.10.2007 Seite 40
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