Dienstag, 25. Dezember 2007

BEAR FAMILY

Die größte Fundgrube mit gefilmter klassischer Country Music aus den Endfünfziger- und Frühsechziger-Jahren, die es jemals gegeben hat!
Um 1956/57 drehten die United States Armed Services eine Reihe von Rekrutierungsfilmen mit den damals bekanntesten Country-Stars. Jahrzehntelang waren diese Filme nicht zu sehen, die einige der populärsten Nashville- Künstler präsentieren, wie sie viele ihrer größten Hits singen. Es handelt sich um klassische Liveauftritte, und es ist die einzige Chance für viele von uns, diese Giganten der Country Music auf dem Höhepunkt ihrer Karriere zu sehen und zu hören. Für viele Fans ist es immer ein Traum geblieben, in den 50er Jahren in Nashville dabei gewesen zu sein und diesen Aufmarsch der Top-Stars mitzuerleben. Jetzt wird dieser Traum Realität, die Asse spielen 'live' in jedem Wohnzimmer. Die Bild- und Tonqualität ist lupenrein und kristallklar, es gibt zusätzliche Mini-Biographien und seltene Fotos, die dieses Erlebnis abrunden.

Einzeltitel:

  1. Faron Young: Stay All Night, Stay A Little Longer
  2. Faron Young & Darrell McCall: Forget The Past
  3. Faron Young: Is She All You Thought She'd Be
  4. Army Recruiting Spot
  5. The Jordanaires: Down By The Riverside
  6. Faron Young: A World So Full Of Love
  7. Faron Young: Stay

Gib Gas-Autogas

Gib Gas - im wahrsten Sinne des Wortes Viele klagen über die gestiegenen Spritpreise. Wer sein Auto mit Gas antreibt, spart hingegen bei jeder Fahrt bares Geld. Noch sind Gas-Autos aber selten. Von Ute Kernbach

Und kost’ Benzin auch zwei Mark zehn, . . . egal, es wird schon gehen.“ So sang es Markus einst 1982. 25 Jahre später würden wir jubeln, würde der Liter Sprit nur 1,07 Euro kosten. Stattdessen bewegt sich der Preis für Diesel bei 1,35, für Superbenzin wird mitunter schon mehr als 1,50 Euro verlangt. Und wer weiß, wie hoch der Spritpreis noch steigt.

Immer mehr Autofahrer denken über andere Möglichkeiten nach. Die gängigsten sind Erdgas und Autogas, schlicht deshalb, weil diese Treibstoffe vom Fiskus nicht so stark besteuert werden. Und der Steuervorteil ist bis zum Jahr 2018 festgeschrieben. Über Erdgas-Fahrzeuge ist an dieser Stelle schon berichtet worden (F.A.Z. vom 29. September), jetzt soll es um Flüssig- oder Autogas (kurz LPG) gehen. Die Existenz zweier ähnlicher Systeme ist für die Entwicklung sehr nachteilig. Erdgas und LPG behindern sich gegenseitig, schlicht deswegen, weil der Verbraucher nicht weiß, was er wählen soll. Einiges spricht für Erdgas (CNG). Es ist ein natürliches Produkt wie Erdöl, große Vorkommen liegen in der Nordsee, es besteht somit keine so große Abhängigkeit von den Ölförderstaaten. Autogas wiederum ist ein Abfallprodukt, was bei der Gewinnung von herkömmlichen Kraftstoffen entsteht. SPG und CNG sind umweltfreundlicher als Benzin oder Diesel (es entsteht weniger CO2, wobei CNG noch umweltfreundlicher ist als LPG).

Ein gutes Dutzend CNG-Autos ist ab Werk zu kaufen, LPG (Liquified Petrol Gas) gibt es dagegen nur als Nachrüst- oder Umrüstlösung. Wer mit Autogas fährt, spart ungefähr die Hälfte der Spritkosten, nach Angaben des DVFG (Deutscher Verband Flüssiggas) mussten die LPG-Piloten in diesem Jahr durchschnittlich 64 Cent je Liter berappen. Allerdings liegt der Durchschnittsverbrauch im LPG-Betrieb um zirka 15 Prozent höher als im Benzinbetrieb. Sonst ändert sich nichts, die Motorleistung ist die gleiche, bei CNG ist sie etwas schwächer.

Ein weiterer Vorteil von LPG gegenüber CNG (Compresses Natural Gas) liegt darin, dass für LPG eine einheitliche europäische Norm für die Kraftstoffqualität existiert. Erdgas hingegen wird als L-Gas (Low Gas) oder auch H-Gas (High Gas) angeboten, dies kann zu unterschiedlichem Emissionsverhalten führen, und auch die Reichweite pro Tankfüllung ist abhängig von der Qualität des Kraftstoffs. Außerdem gibt es vor allem in den Nachbarländern (Italien, Holland, Österreich, Großbritannien) wesentlich mehr LPG-Tankstellen. In Deutschland sind es zurzeit 3000, das Netz dürfte etwas dichter sein als das für Erdgas.

Derzeit fahren nach Angaben der DVFG rund 210 000 Autogas-Fahrzeuge auf deutschen Straßen. Die steigenden Benzinpreise zeigen schon Wirkung: Wurden 2005 rund 35 000 Autos umgebaut, waren es 2006 bereits 60 000, und in diesem Jahr werden 70 000 Umrüstungen erwartet.

Umrüsten kann man jeden Wagen mit Benzinmotor, mit Ausnahme einiger Direkteinspritzermodelle. Je einfacher die Motorsteuer-Elektronik eines Fahrzeugs aufgebaut ist, desto schneller kann man auf Autogas umsteigen. Unternehmen, die Personenwagen auf Autogas nachrüsten, gibt es viele. In den Internet-Suchmaschinen ist die Auswahl sehr groß. Aber noch lange nicht jeder Anbieter ist seriös. Wie so oft im Leben sollte man sich auch hier bei der Auswahl des Nachrüsters sorgfältig informieren. Die meisten Hersteller und Importeure, die LPG-Nachrüstungen anbieten, haben dafür auch autorisierte Händler.

Was für den Umbau wichtig ist, erläutert der Autogasexperte Udo Szamatulski, Geschäftsführer der Rhein Main Automotive GmbH in Rödermark: Wichtig sei die Programmierung vom Kennfeld im Gassteuergerät, fehlendes Wissen dort bedeute kapitale Motorschäden. Die Software-Feinabstimmung sei das A und O.

Bei den Autogas-Fahrzeugen erfolgt der Antrieb wahlweise mit Flüssiggas oder Benzin. Der Gastank, der je nach Modell unterschiedlich groß ist, kann in der Reserveradmulde untergebracht werden; damit wird das Kofferraumvolumen praktisch nicht beeinträchtigt. Per Knopfdruck kann man bequem zwischen den beiden Antriebsarten umschalten. Gestartet werden muss mit Benzin, von alleine zündet das Gas nicht. Die Umrüstzeit auf Autogas beträgt zirka zwei Tage, die Kosten liegen zwischen rund 2200 und 3700 Euro für gängige Vier- und Sechszylindermodelle. Nachrüstsätze für bivalenten Betrieb bieten beispielsweise Chevrolet, Fiat, Kia, Lada, Opel, Subaru und VW an. Eine Auswahl der zurzeit „offiziell“ angebotenen Autogas-Fahrzeuge mit Verbrauchs- und Emissionswerten findet sich in der unten aufgeführten Tabelle.

Chevrolet hat seine „Autogas-Offensive“ noch bis einschließlich 31. Dezember dieses Jahres verlängert: Beim Kauf der Modelle Lacetti, Nubira Kombi, Rezzo und Epica ist die Anlage unentgeltlich, dies bringt dem Käufer einen Preisvorteil von 2410 bis 2760 Euro. Auch Subaru bietet beim Kauf eines gasfähigen Neu- oder -Vorführwagens noch bis zum 30. November einen kostenfreien Umbau an, was einem Preisvorteil von rund 2900 Euro entspricht.

Szamatulski sieht es für Autogas als weiteren Vorteil, dass die Umrüstmöglichkeiten dafür preiswerter und auch bei mehr Fahrzeugen zu verwirklichen sind als für Erdgas. „Schon bei einer Gesamtfahrleistung von rund 45 000 Kilometer, die der durchschnittliche Autofahrer innerhalb von drei Jahren zurücklegt, amortisieren sich die Einbaukosten einer Autogasanlage“, rechnet er vor.

Der Motor leide übrigens nicht unter dem Betrieb mit Gas, im Gegenteil. Da LPG besser verbrenne (es hat 110 Oktan, Superbenzin nur 95), werde der Motor sogar eher geschont. Zu berücksichtigen seien allerdings leicht erhöhte Wartungskosten, alle 30 000 Kilometer müsse ein bestimmter Filter gewechselt werden, zudem sei die TÜV-Prüfung teurer (27 Euro), weil die Gasanlage zusätzlich abgenommen werden muss.

Dennoch, vieles spricht für Autogas. Und je teurer der herkömmliche Kraftstoff wird, desto stärker steigt die Nachfrage nach LPG.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.11.2007 Seite 52

Siehe Übersicht unten!

Bruce Springsteen in Mannheim

Bruce Springsteen

Rocker fordern: Mindestlohn für ehrliche Arbeit!

Von Edo Reents

03. Dezember 2007 Es ist schon merkwürdig, wie aufmerksam es registriert wird, wenn Bruce Springsteen sich über Amerika äußert. Selbst wenn er nur ganz allgemein von „Wahrheit“ und „Lüge“ spricht, wird das schon als brisante Aussage verbucht, die ja wohl ganz unverkennbar gegen die Regierung gerichtet sei. Seit bald einem Vierteljahrhundert, seit der epochemachenden Platte „Born In The U.S.A.“, geht das nun so, dass Springsteen als durch und durch patriotisch und doch irgendwie kritisch gilt. Aber selbst wenn es so sein sollte, dass er etwas gegen George W. Bush hat und froh ist, wenn der Präsident endlich weg ist – so dumm wird er nicht sein, dass er sich dazu ausdrücklich vernehmen ließe; er ist ja kein „Dixie Chick“ und legt auch keinen Wert darauf, dass seine Platten öffentlich verbrannt werden.

Und so hielt er sich denn beim ersten von vorläufig zwei Deutschlandkonzerten in der Mannheimer SAP-Arena vor 13.000 Leuten (am 13. Dezember dann vor vermutlich 16.000 in Köln) auch ziemlich zurück in seinen ohnehin äußerst knappen Ansagen: Bevor er das Titellied seiner jüngsten Platte „Magic“ anstimmte, das hier als fünftes kam, nuschelte er etwas von „truth“ und „lies“ und sang dann los: „Trust none of what you hear / And less of what you see“ – Dinge, die jede vernünftige Mutter ihren Kindern frühzeitig beibringt. Bei Springsteen aber wird daraus sofort ein Statement zum Irak-Krieg, der auf der ganzen Platte nicht eine direkte Erwähnung findet und auch im Konzert nicht fand. Die Gegnerschaft zu einer falschen politischen Entscheidung ist so wenig originell wie die Musik, die sie angeblich transportiert. Ist das womöglich der Grund für die andauernde Befragung zur Politisierung Springsteens: der kleinste gemeinsame Nenner?

One, two, three, four!“

Auf das Mannheimer Konzert wäre eine andere Kategorie vielleicht eher anzuwenden: der Mindestlohn. Was kriegt so einer, der mit seinen achtundfünfzig Jahren und dem breitbeinig-selbstgewissen Gang so schwer vermittelbar wirkt, eigentlich für diese Malocherei? Hat seine Gewerkschaft dreißig Prozent Lohnzuwachs ausgehandelt, während Kollegen, die doch auch auf dem alten Stahlross der Unterhaltung schuften, aber anders organisiert sind, sich mit fünf zufriedengeben müssen? Es war jedenfalls echte, ehrliche Akkordarbeit, die er hier ablieferte. Seltsam gehetzt und doch von der klassischen Rock-’n’-Roll-Logik zwingend gefordert, leitete er fast jeden der dreiundzwanzig Songs mit einem „One, two, three, four!“ ein, auch wenn der letzte Donnerakkord des jeweils vorigen Lieds noch gar nicht verklungen war.

Auf diese Weise brachte Springsteen das Kunststück fertig, das Programm in gut zwei Stunden hinter sich zu bringen. Spitzfindigkeiten über die heimatliche Situation hätten den Auftritt nur unnötig in die Länge gezogen und dazu geführt, dass weniger gespielt worden wäre. Aber zwei Stunden? Früher wäre das einer Arbeitsverweigerung gleichgekommen, denn da waren es gut und gerne vier. Springsteen und die acht Musiker seiner alten „E-Street Band“, allesamt in rustikales Schwarz oder zumindest Dunkelblau gekleidet, werden eben auch nicht jünger, und für das Publikum, das der Boss von Anfang an im Griff hatte, gilt das genauso: Das waren nicht gerade die iPod-Träger, mit dem Hosenbund schon fast unter der Po-Ritze.

Knüppeldick und laut

Es war, um nun endlich zur Sache zu kommen, ein bewegendes, außerordentlich kraftvolles Konzert, das in dieser Form wohl auf beiden Seiten nicht viel länger hätte durchgehalten werden können. Alle wussten ja schon vorher oder konnten sich zumindest denken, mit welcher Energie Springsteen an die Sache herangehen würde – dass es so knüppeldick und laut kommen würde, war dann doch nicht zu erwarten. Zeitweise standen vier Gitarristen auf der Bühne, unter ihnen ein winzig kleiner Nils Lofgren und der uralte Gefährte Steve Van Zandt, der so etwas wie den Führungsoffizier bei dem Stimmungsanheizen gab, das Springsteen mit großen, aber auch netten Gesten selbst besorgte; Clarence Clemons blies seine Soli ins Saxophon; und über allem thronte Max Weinberg, der mit geradezu barbarischer Präzision und Wucht auf sein bemerkenswert kleines Schlagzeug eindrosch.

Was soll man noch sagen? Die Titel der Songs sind ja bekannt. Diesmal waren darunter erfreulicherweise auch drei von der Platte „Darkness On The Edge Of Town“, mit der Springsteen 1978 recht eigentlich erst der amerikanische Jedermann wurde, den man bis heute in ihm sieht. Die vertraute Magie stellte sich auf Anhieb ein: dieses Nur-ja-nicht-unterkriegen-lassen-Pathos, der fiebrige Lebenshunger und, natürlich, die Desillusion gelebten Lebens und abgelebter Liebe. Hierin, in der schwer auf den Begriff zu bringenden Mischung aus Übermut und Melancholie, ist Springsteen einfach ein Meister. Die Sicherheit, mit der er seinen Instinkten traut, hat ihn in fünfunddreißig Jahren nicht verlassen und wird es wohl auch nicht mehr.

Jon Landau hat den Namen, den die Zukunft des Rock ’n’ Roll hatte, damals schon ganz richtig gelesen. Es wäre albern, heute noch von einer Zukunft zu sprechen; es gibt keine mehr. Es gibt nur eine Vergangenheit, und ihr Name ist Bruce Springsteen. Etwas Schmeichelhafteres kann über einen Musiker nicht gesagt werden, wenn einem Vergan-

genheit etwas bedeutet und enttäuschte Hoffnungen eben doch nicht alles sind. Von Springsteen wissen wir, was beides bedeutet. Vielleicht trieb einem deswegen das Feuer, mit er seinen vielleicht besten Song, „Dancing in the Dark“, immer noch anzufachen weiß, Tränen in die Augen. EDO REENTS



Text: F.A.Z.


Montag, 24. Dezember 2007

IkeTurner

Der Mann, der den Rock ’n’ Roll erfand

Zum Tod des amerikanischen Rockmusikers und Komponisten Ike Turner

In dem Film „What’s Love Got to do With It“ gibt es eine Szene, in der Ike Turner seiner Frau Tina Musik vorspielt, die er gerade komponiert hat. Auf die Frage nach ihrer Meinung antwortet sie: „Es klingt alles . . . irgendwie gleich.“ Und schon setzt es Schläge. Ist das die ganze Wahrheit über Ike Turner? Das Publikum, noch im Taumel über Tina Turners gewaltige, musikalisch indes durchschnittliche Soloerfolge, mochte es glauben; immerhin basierte der Film von 1993 mit Angela Bassett und Laurence Fishburne in den Hauptrollen auf Tina Turners Autobiographie „I, Tina“.

Ike Turner hat dem Bild, das man sich von ihm als Scheusal und Frauenschänder gemacht hat und das seine immensen Leistungen für die Rockmusik in den Hintergrund drängte, nur halbherzig entgegengesteuert. Seine Autobiographie, in der er dies und das zugibt, vermittelt einen Eindruck von den Härten, denen er selbst ausgesetzt war: Der Fünfjährige wird Zeuge, wie man seinen Vater, einen Baptistenprediger, wegen einer Frauengeschichte dermaßen zusammenschlägt, dass dieser jahrelang in einem Verschlag vor sich hinvegetiert – der Gestank der faulenden Wunden machte eine Hausgenossenschaft unmöglich, Ike brachte ihm die Mahlzeiten.

Dies und manches andere hat ihn wahrscheinlich zu einem rücksichtsloseren Mann gemacht, als für ein Zusammenleben gut war. Eines steht aber fest: Was die Musik betrifft, so war Ike Turner sich seiner Sache immer absolut sicher; und womöglich ist das der Grund dafür, dass seine Sachen in der Tat alle irgendwie gleich klingen – so gleich, wie sich der Rock ’n’ Roll, als dessen Erfinder er zu gelten hat, eben selber ist. Denn „Rocket 88“ kam 1951, drei Jahre vor Elvis und den anderen, denen er mit Herablassung begegnete, heraus – unter dem Namen: „Jackie Brenston and his Delta Cats“. Dahinter verbargen sich aber Ike Turner und die Kings Of Rhythm, Brenston sang nur. Ike Turner muss über ein unglaubliches Selbstvertrauen verfügt haben. Mit zwanzig, in einem Alter also, in dem heutige Rockmusiker höchstens als Milchbärte durchgehen, war er Talentscout und beaufsichtigte die Plattenaufnahmen von Bluesmusikern, die seine Väter hätten sein können. Aber erst als er 1956 die damals noch minderjährige Annie Mae Bullock entdeckte, trat auch er, zwangsläufig, ins Rampenlicht: „The Ike and Tina Turner Revue“ präsentierte – und darin liegt Ike Turners zweite, große Neuerungsleistung – den soullastigen, rauhkehligen Rock ’n’ Roll mit aller Entschlossenheit als das, was er zumindest in seiner amerikanischen Spielart ist: als Revue eben. Mit eiskalter Professionalität zog er, an der Gitarre und am Klavier, bei einem erotisch an der Grenze zur Anstößigkeit aufgeladenen Entertainment die Strippen, während Tina sich die Seele aus dem Leib schrie: „A Fool in Love“, „I Want to Take You Higher“, dazu Fremdkompositionen wie Phil Spectors „River Deep, Mountain High“ oder John Fogertys „Proud Mary“ (man höre die gerade erschienene Box „The Ike & Tina Turner Story“). Nach der Trennung 1976 ging es für Tina, mit Verzögerung, erst richtig los mit einer Weltkarriere, die Ike versagt blieb. Er verharrte mit gelegentlichen, die Essenz des Rock und Soul bewahrenden Soloplatten auf dem Niveau, das er mit genialem Spürsinn einst gefunden hatte. Am Mittwochmorgen ist Izear Luster „Ike“ Turner im Alter von sechsundsiebzig Jahren in seinem Haus nahe San Diego gestorben. Selbst wenn Tina ihm keine Träne nachweint – die Rockmusik hat einen ihrer Großen verloren. EDO REENTS

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.12.2007 Seite 35


Gespräch mit Geoff Emerick

Gespräch mit Geoff Emerick, dem Toningenieur der berühmtesten Band der Welt

Ich war der sechste Beatle

Einen Sack Flöhe zu hüten muss leichter sein: Geoff Emerick, Jahrgang 1946, war bei Jahrhundertalben wie „Revolver“ und „Abbey Road“ der Mann hinter den Reglern.

Wem haben Sie es zu verdanken, dass Sie Toningenieur der Beatles wurden: Mr. Barlow vom Arbeitsamt oder Pink Floyd?
Dem netten Mr. Barlow, würde ich sagen. Er war es, der mir, einem Jungen von fünfzehn Jahren, das Vorstellungsgespräch bei der Plattenfirma EMI vermittelt hat. Dass ich später Toningenieur der Beatles wurde, hat natürlich schon mit Pink Floyd zu tun. Norman Smith, der die Beatles von 1962 bis 1965 aufgenommen hat, wollte die frühen Pink Floyd produzieren. Bei EMI konnte man damals aber nicht gleichzeitig Produzent und Toningenieur sein. So kam es, dass von einem Tag auf den anderen ich für die Beatles-Aufnahmen verantwortlich wurde.
In Ihrem Buch beschreiben Sie die EMI-Studios, die heute als Abbey-Road-Studio weltberühmt sind, als einen muffigen Ort, der so ziemlich genau das Gegenteil von Pop war: altmodisch verstaubt, spätviktorianisch, reglementiert.
Das Ganze war so etwas wie ein Abbild der englischen Klassengesellschaft. Als ich 1962 dort mit fünfzehn anfing, hatten die Leute von der Klassik das Sagen. Auf die kleine Pop-Fraktion blickte man herab. Und es schien Regeln für alles zu geben, von der Plazierung der Mikrofone über die Kleidung bis hin zum Verhalten gegenüber den Musikern. Man sollte mit den Künstlern nur dann reden, wenn sie einen zuvor angesprochen hatten. Schuhe mussten glänzen, Krawatte war Pflicht, und die Anzugsjacke durfte man im Tonstudio nur dann ablegen, wenn man um Erlaubnis gebeten hatte.
In ihren Memoiren („Du machst die Beatles!“) bekommt man den Eindruck, dass für den Toningenieur vor allem John Lennon eine Herausforderung darstellte.
John hatte ganz genaue Vorstellungen, wie etwas klingen sollte; vor allem, was seine Stimme betrifft. Seine Vorgabe war: Mach es so, dass ich nicht nach mir klinge. Doch konnte er seine Vorstellungen oft nicht rüberbringen. Also musste man das interpretieren. Das fing schon beim ersten Song meiner allerersten Session als Toningenieur an: „Tomorrow Never Knows“ auf dem Album „Revolver“. Da wollte Lennon, dass seine Stimme so klingt, als würde der Dalai Lama von einem weit entfernten Berggipfel herunter singen. Damals hatten wir keine Software oder irgendwelche Effektgeräte, durch die man seine Stimme hätte jagen können. Was wir hatten, waren Mikrofone, ein Mischpult, vier Tonspuren und eine Echokammer. Das war’s! Deswegen musste man sich jedes Mal etwas Neues ausdenken.
Wie bekamen Sie den Dalai Lennon hin?
Wir haben seine Stimme durch die im Kreis rotierenden Lautsprecher einer Leslie-Orgel gejagt. Das gefiel ihm.
Je länger Sie mit den Beatles arbeiteten, desto anstrengender wurde es. „Sergeant Pepper“ wurde über viereinhalb Monate vor allem nachts aufgenommen.
Trotzdem habe ich gerade diese Aufnahmen in bester Erinnerung. Wir haben damals mit Klangexperimenten und Sounds gearbeitet, die wir zum Teil schon für „Revolver“ im Jahr zuvor entwickelt hatten. Diesmal konnten wir sie kontrollierter einsetzen. Außerdem schien alles, was die Beatles anfassten, zu klappen. Die erste Nummer, die wir aufgenommen haben, war „Strawberry Fields“ – eine solche Nummer gleich zu Beginn! Irgendwie übertraf jeder weitere Song den davor.
Welche Einspielung war das größte Erlebnis für Sie?
„A Day in the Life“. Uns lief es kalt den Rücken herunter, als John Lennon zum ersten Mal darüber sang. Noch stärker war der Eindruck, als wir uns den Song anhörten, nachdem wir dieses berühmte Orchester-Crescendo eingefügt hatten. Das war, wie wenn man sich einen Schwarzweißfilm anschaut, und auf einmal ist er in Farbe zu sehen! Keiner, der damals im Studio war, hatte in seinem Leben jemals einen solchen Pop-Song gehört.
Wenn es nach Elvis Costello geht, waren Sie bei „Sergeant Pepper“ mehr als nur Toningenieur. Für ihn sind Sie der eigentliche Koproduzent des Albums. Dabei hat man Sie damals auf dem Plattencover nicht einmal erwähnt.
Das war noch nicht üblich. Immerhin habe ich später einen Grammy dafür bekommen. Was Elvis Costello betrifft: Das ist natürlich sehr schmeichelhaft, was er da über mich gesagt hat. Da wird schon ein bisschen was dran sein.
Gilt umgekehrt, dass in dem Maße, in dem die Beatles selbstbewusster wurden und das Studio für ihre Musik immer wichtiger, die Rolle von George Martin als Produzent abnahm?
Das war schon so. Beim „White Album“, das ich etwa zur Hälfte aufnahm, bevor ich es nicht mehr aushielt und ging, hatte er die Kontrolle über die Beatles so ziemlich verloren. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: George Martins Bedeutung für die Beatles, ihren Sound, ihre Harmonien, ihren Gruppengesang, die Struktur ihrer Songs war immens, auch wenn er zum Ende hin nicht mehr die Rolle hatte wie zu Beginn.
Von George Martin stammt der Satz, „Sergeant Pepper“ wäre mit vierundzwanzig Tonspuren auch nicht besser geworden als mit vier Spuren.
Mit weniger Spuren ist man eben gezwungen, Entscheidungen zu treffen. Mit den heutigen digitalen Aufnahmeverfahren sind die Möglichkeiten nahezu grenzenlos, damit aber auch die Variablen. Deswegen läuft man Gefahr, im Kreis zu laufen.
Wann haben Sie eigentlich zum ersten Mal gemerkt, dass die Beatles sich auseinanderentwickeln?
Am Tag vor ihrem Abflug nach Indien hatten sie „Hey, Bulldog“ eingespielt. Da herrschte noch allerbeste Stimmung. Als sie aus Indien zurückkamen, waren sie wie verwandelt: zornige Typen, die auf einmal doppelt so laut spielten – was meinen Job auch nicht gerade leichter machte.
Wenn man „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ vom „Weißen Album“ hört, würde man nicht vermuten, dass ausgerechnet bei diesem Song alles überkochte.
Lennon hat diesen Song einfach nur gehasst! Es war kein Zufall, dass sich die ganzen Spannungen entluden, als McCartney seinen Gesang zum ich weiß nicht wievielten Mal noch mal aufnehmen wollte. Bei diesem Song wurde mir der ganze Ärger, den die Beatles untereinander hatten, einfach zu viel. Am nächsten Tag habe ich erklärt, dass ich aufhöre.
Was haben Sie empfunden, als das „Weiße Album“ schließlich herauskam?
Ich habe mir dieses Album bis heute nie angehört. Natürlich kenne ich einzelne Songs daraus, allein schon, weil sie immer wieder im Radio laufen; aber freiwillig oder als Ganzes: bis heute nicht. Es geht einfach nicht. Ich habe so unglaublich schlechte Erinnerungen an diese Aufnahmen – das käme alles hoch.
Bei „Abbey Road“ saßen Sie doch noch einmal für die Beatles am Mischpult. War Ihnen klar, dass das ihr letztes Album sein würde?
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte auch keinen Grund, so etwas zu glauben; schließlich war ich derjenige, der den Beatles damals ihr Apple-Studio, das Magic Alex, ihr seltsamer Technik-Guru, total vermurkst hatte, wieder auf Vordermann brachte. Warum sollte ich da glauben, dass die Beatles sich auflösen würden? Außerdem war die Atmosphäre viel besser als beim „Weißen Album“.
Wie kam das?
George Martin hatte zur Bedingung gemacht, dass sie wieder zu einer normalen, einigermaßen kontrollierten Arbeitsweise zurückkehren und sich dabei einigermaßen gesittet benehmen. Es war zwar nicht so wie in den guten alten Tagen. Die Freundschaft der Beatles war einfach nicht mehr da. Das merkte man zum Beispiel, wenn einer seinen Solo-Part aufnehmen musste. Früher wären die anderen dabeigeblieben – einfach aus Neugierde und um dabei zu sein. Jetzt fuhren sie nach Hause und haben den anderen allein gelassen.
Haben Sie sich dieses Jahr „Love“ angehört, den Beatles-Remix von George Martins Sohn?
Nein. Werde ich auch nicht.
Weshalb?
Dieses „Love“-Album ist für mich so, wie wenn jemand an einem großen Kunstwerk herumpfuscht – als ob jemand an der Sixtinischen Kapelle herummalte, weil er glaubt, er könne es besser. So etwas macht man doch nicht! Und dann noch so tun, als ob das jetzt eine neue Beatles-Scheibe wäre, obwohl zwei Beatles schon nicht mehr leben.
Verraten Sie uns zum Schluss noch, ob Sie der fünfte Beatle sind?
Wenn überhaupt, dann ist das George Martin. Wenn es einen sechsten Beatle geben sollte, dann vielleicht Norman Smith und mich.
Das Gespräch führte Claus Lochbihler.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.12.2007 Seite 40