Samstag, 9. Februar 2008

Wie kommt der Film in die Elektronik?

Wie kommt der Film in die Elektronik-Schachtel? Wo heute MP3-Player draufsteht, ist meist auch gleich noch Daumenkino drin: Die Taschenknirpse fürs mobile Hören zeigen in ihren Sichtfenstern neben Titellisten oder Urlaubsfotos immer öfter auch bewegte Videobilder. Von Wolfgang Tunze

Für buntes Unterhaltungsprogramm reichen bereits Kleinkaliber wie der iPod Nano; größere Geräte, gern auch als Medienplayer tituliert, taugen ohne weiteres für den Genuss kompletter Spielfilme mit angemessener Detaildarstellung. Das wirft die Frage auf: Wie kommt der Film denn überhaupt in die Elektronik-Schachteln? Auf welche Weise sich die Medienzwerge mit digitaler Musik befüllen lassen, weiß ja inzwischen jedes Schulkind: Man nehme die tönende Quelle, etwa eine CD, lasse sie von einer Gratis-Software, etwa dem Programm iTunes, in Dateien des Allerweltsformats MP3 eindampfen und kopiere das Resultat über den USB-Anschluss in den Player – fertig.

In der Videowelt geht die Sache nicht ganz so flott: Als Bildquellen kommen neben vielen verschiedenen Gerätschaften auch digitale Dateien in verwirrender Formatvielfalt in Frage. Und welche Digitalfasson die abspielfertige Videodatei am Ende annehmen soll, ist leider auch nicht mit einem einzigen Kürzel zu beantworten. Immerhin: Eine gewisse Klärung ist in Sicht. Denn neben Videoformaten aus dem Hause Microsoft kristallisiert sich vor allem ein Videostandard als das heraus, was man ein audiovisuelles Gegenstück zur MP3-Musik nennen könnte: das Digitalformat mit dem sperrigen Namen MPEG 4 AVC/H.264. Es ist ein Abkömmling der MPEG-Standardfamilie, jener Normen, die seit den neunziger Jahren in den digitalen Medien Karriere machen. Als MPEG-2 etwa kommen die Bildsignale des digitalen Fernsehens und der DVD ins Wohnzimmer. Unter dem Sammelnamen MPEG-4 treten seit einigen Jahren Video-Kompressionsstandards auf, die mit noch viel knapperen Datenraten auskommen und dennoch gute Bildqualität liefern. Die Variante AVC/H.264 ist die effizienteste und modernste einer größeren MPEG-4-Sippe. Deshalb verwenden die Fernsehsender sie auch, um HDTV-Programme für die Ausstrahlung aufzubereiten.

Zurück zu den Taschenspielern: Sämtliche iPods und natürlich auch das iPhone verstehen sich auf AVC/H.264, Podcasts im Internet entsprechen ebenfalls dieser Norm, die mobile Spielekonsole Playstation Portable kann Filme in AVC/H.264 abspielen, und die videotüchtigen Varianten der neuesten MP3-Player von Sony, nach alter Väter Sitte Walkman genannt, sind gleichermaßen AVC/H.264-tüchtig. Dass in Zukunft immer mehr mobile Unterhalter mit Medienkonserven in diesem Format zurechtkommen, ist zu erwarten.

Deshalb engen wir unsere Frage zunächst darauf ein: Wie kommen AVC/H.264-Videos in einen geeigneten Player? Die einfachste Antwort gibt Pinnacle: Der Spezialist für multimediale Computer-Peripherie hat ein brandneues Stück Hardware in der Größe und mit dem Charme einer Seifenschachtel im Programm, das auf der einen Seite über Cinch- und S-Videoanschlüsse analoge Bild- und Tonsignale entgegennimmt, auf der anderen Seite einem USB-Kabel Anschluss bietet, um die direkte Verbindung zu einem iPod oder zur Playstation Portable herzustellen. Ist das „Video Transfer" genannte Gerät richtig verkabelt, genügt ein Druck auf die Aufnahme-Taste „Rec", und die normgerechte Befüllung des Players beginnt. Zuvor kann man noch mit einer „Mode"-Taste die Bildqualität festlegen. Nach diesem Prinzip lassen sich nicht nur die mobilen Unterhalter, sondern auch USB-Sticks oder Festplatten medial betanken. Das Praktische daran: Man kommt ohne Rechner aus und muss sich um die Beschaffenheit des Quellmaterials keinerlei Gedanken machen. Ob DVD-Player, analoger oder digitaler Kamkorder, Fernseher oder VHS-Videorekorder: Einen analogen Videoausgang haben sie alle.

Was aber, wenn das Ausgangsmaterial bereits als Datei auf dem Rechner vorliegt? Dann gilt es, mit einer geeigneten Software die nötigen Konvertierungen vorzunehmen. Die sind leider extrem rechenintensiv und können Stunden dauern; der schnellste Computer ist deshalb gerade gut genug. Als Rohstoffe bieten sich Videos unzähliger Digitalformate an. Etwa DV-Dateien digitaler Kamkorder, VOB-Dateien selbstgebrannter DVDs oder MPEG-2-Dateien, die von einer Fernseh-Empfangskarte im PC aufgenommen wurden. Gelegentlich tummeln sich auch Videos aus dem Internet auf der Festplatte, die in Formaten mit den zungenbrecherischen Namen DivX oder XviD kodiert sind. Dahinter verbergen sich MPEG-4-Varianten, und meist stecken solche Videos, um die Komplikationen komplett zu machen, in speziellen Container-Formaten, die ihnen ihre Dateistruktur vorgeben. Das von Microsoft entwickelte AVI ist ein solches, zu erkennen an der gleichnamigen Datei-Endung. Und last, but not least verdient noch Windows Media Video Erwähnung, das spezielle Videoformat des Microsoft-Universums.

Es gibt zwei verschiedene Wege, sich mit all diesen Digitalvorlagen auseinanderzusetzen. Der eine ist dornig, erfordert gute Nerven, eine Menge Computer-Knowhow und Spaß am digitalen Basteln, der andere setzt auf Software-Werkzeuge, die mit möglichst geringem Aufwand möglichst passgenaue Ergebnisse liefern. Der Vorteil der Schweiß- und Tränen-Methode ist ihre Flexibilität: Auf diesem Wege lassen sich mit meist unentgeltlichen Software-Tools selbst komplizierte Datenumsetzungen bewerkstelligen. Sogar Bildbeschneidungen oder -drehungen sind machbar. Ohne hier alle Finessen aufdröseln zu können, klären wir ein paar Grundsätzlichkeiten zur Vorgehensweise.

Damit ein Computer, egal ob PC oder Mac, Videodateien konvertieren kann, muss er erst einmal in der Lage sein, das Ausgangsmaterial zu entziffern. Dazu braucht er bestimmte Codecs, das sind ins Betriebssystem eingelagerte Software-Stückchen, in denen die mathematischen Vorschriften zur Dekodierung und zur Neukodierung stecken. Weder Mac OS noch Windows bringen alle wichtigen Codecs von Haus aus mit; ohne zusätzliche Software scheitern sie zum Beispiel schon an ganz trivialen MPEG-2-Dateien, von Exoten wie XviD ganz zu schweigen. Zum Glück gibt es kostenlose und unkomplizierte Abhilfe, etwa eine umfassende Codec-Sammlung, die von der Konvertierungssoftware ffdshow automatisch in Windows-PCs installiert wird (http://sourceforge.net/projects/ffdshow); Mac-Alternativen gibt es ebenfalls auf den Websites des Sourceforge-Netzwerks.

So präpariert, kann der Rechner dann auch mit anderen Konvertierungsprogrammen zusammenarbeiten, etwa der ebenfalls unentgeltlichen Software MPEG Streamclip (http://www.squared5.com/). Ihr spezieller Vorzug: Sie kommt sogar mit MPEG-2-Dateien zurecht, die von einer Fernseh-Empfangskarte im MPEG-2-Transportstrom-Format aufgenommen wurden (Dateiendung: .ts). Vor der Konvertierung mit solchen Werkzeugen gilt es dann noch, das Zielformat genau zu definieren; dazu zählen nicht nur das Dateiformat, sondern auch die Pixelauflösung, die zum Abspielgerät passen muss, die Bildfrequenz und, falls gewünscht, eine maximale Datenrate.

Für alle, die sich solche Prozeduren nicht antun möchten, gibt es auch elegantere Wege. Heißt das Zielgerät iPod oder iPhone, dann empfiehlt sich beispielsweise Apples Software-Player Quicktime als Konvertierungswerkzeug. Das Programm gibt es gratis zum Herunterladen für Windows-Rechner und für Macs; damit es sich auch auf die aktive Video-Verarbeitung versteht, bedarf es allerdings einer 30,49 Euro kostenden Aufrüstung zum Quicktime Pro. Dann konfektioniert das Programm das Video mit einem einzigen Menüklick zum maßgeschneiderten Film für das jeweilige Gerät; außerdem taugt es als einfaches Schnittwerkzeug, und wenn es soll, stellt es auch Videos in etlichen anderen Formaten her – je nachdem, welche Codecs der Rechner in seinem Betriebssystem vorfindet.

Und wenn der Player nun weder von Apple noch von Sony stammt, sondern beispielsweise von Trekstor oder Philips und wenn er mit AVC/H.264 nichts anfangen kann, sondern nach AVI-Dateien oder nach Filmen im Windows-Media-Video-Format verlangt? Dann hilft entweder die zum Gerät mitgelieferte Software oder, falls die mit exotischem Ausgangsmaterial ihre liebe Not hat, ein PC-Programm, das wie ein Schweizer Taschenmesser alle Konvertierungsaufgaben souverän löst: die Software „Filme für unterwegs 2" von Magix (http://www.magix.de/). Dieses Werkzeug will einfach nur wissen, wie der Player der Wahl heißt; alle nötigen Konvertierungseinstellungen nimmt es dann automatisch vor. Mehr als 100 Geräte umfasst die aktuelle Datenbank des Generalkonverters, darunter sogar Mobiltelefone, die sich im Nebenjob auch auf die Video-Wiedergabe verstehen. Eine eingebaute Schnitteinrichtung samt Überblend-Funktionen gehört ebenfalls zur Ausrüstung, ebenso ein automatischer Werbeblock-Killer. Ganz so einfach wie die MP3-Erstellung klappt die Produktion mobiler Videos zwar auch mit diesem Hilfsmittel noch nicht, ein Hexenwerk ist sie aber auch nicht mehr.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 05.02.2008 Seite T1

Buchstabensalat: Die wichtigsten digitalen Videoformate Die Anzeige dieses Bildes wird in Ihrem Browser möglicherweise nicht unterstützt.Die Anzeige dieses Bildes wird in Ihrem Browser möglicherweise nicht unterstützt.

MPEG-2 Videoformat des digitalen Fernsehens und der DVD. Mit etwa 5 Megabit je Sekunde erzielt MPEG-2 gute Qualität in beiden Medien.

VOB Video-Objekt, in MPEG-2 kodierte Video-Dateien der DVD. VOB ist ein sogenanntes Container-Format, das die Datenstruktur der MPEG-2-Inhalte definiert.

MPEG-4 Videoformat, das auf einer stärker wirkenden Kompression beruht. Schon 2 Megabit je Sekunde reichen für klare Bilder in voller Fernsehauflösung.

MPEG-4 AVC/H.264 Videoformat für HDTV, die HD-DVD, die Blu-ray Disc und viele Multimedia-Anwendungen, beruht auf extrem effizienter Kompression.

AAC Mit MP3 verwandtes Tonformat, das mit noch geringeren Datenraten hohe Qualität erzielt. In AAC sind auch die Tonspuren von AVC/H.264-Videos kodiert.

DV Videoformat digitaler Kassetten-Kamkorder. Jedes Bild wird separat kodiert, um Schnittfunktionen zu unterstützen.

AVI Von Microsoft definiertes Video-Containerformat, gibt Datenstrukturen vor und kann Videoinhalte unterschiedlicher Kodierungen enthalten.

Quicktime Von Apple entwickeltes Container-Format, modernere Alternative zu AVI. Kann Mediendaten in vielen verschiedenen Kodierungen enthalten.

DivX MPEG-4-Codec für PCs und Macs, Gratis-Download: http://www.divx.de/. Manche Mobilplayer (etwa der Creative Zen Vision W) spielen DivX-Dateien ab.

XviD MPEG-4-Codec für Windows und Linux. Entstand aus einer der Open- Source-Entwicklergemeinde zugänglichen DivX-Version.

WMV Windows Media Video, von Microsoft entwickeltes Videoformat der Windows-Plattform. Ähnlich MPEG-4.

Transport Stream Übertragungsformat des digitalen Fernsehens. Mobile Player können es nicht verarbeiten; Abhilfe schafft die Umwandlung mit speziellen Konvertern.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 05.02.2008 Seite T1