Dienstag, 9. Oktober 2007

Plattenspieler - Ein Leben für den anaologen Klang

Plattenspieler
Ein Leben für den analogen Klang
Von Gerold Lingnau


Präzision der Feinmechanik: Tangential-Tonarm TT I für Statement-Laufwerke
06. Oktober 2007 Welchen Tonträger wird es auch in hundert Jahren noch geben? Nein, nicht die CD, auch wenn sie heute milliardenfach verbreitet ist. Sie wird den Weg der Kompakt-Kassette, des DAT, der DCC und der Mini-Disc gehen - in die Vergessenheit. Alle diese Formate werden 2107 ebenso obsolet sein wie die Abspielgeräte verloren. Aber die Schallplatte wird überlebt haben, jenes schwarze Ding mit Rillen, das man schon im Aussterben wähnte und das sich zu neuem Ansehen hochgerappelt hat. Aus Schellack ist sie heuer schon 110, aus Vinyl als Langspielplatte immerhin 60 Jahre alt. Sie wird viele weitere Archiv-Jahrzehnte unbeschadet überstehen und noch spielbereit sein, wenn die letzte CD im Müll gelandet ist.
Mit dieser Zuversicht rennt man bei Peter Suchy weit offene Türen ein. Die analoge Schallplatte ist das Medium seines Lebens: Er glaubt an sie und hat mehr für sie getan, als es manchem großen Konzern in seiner besten Zeit nachgesagt werden konnte. Nicht nur, dass er zur Weltspitze der verbliebenen Hersteller von Laufwerken, Tonarmen und Tonabnehmern für Schallplatten gehört. Er kümmert sich auch um erstklassigen Nachschub an schwarzen Scheiben. Das 1978 von ihm gegründete Unternehmen Clearaudio in Erlangen ist der Angelpunkt seiner Aktivitäten. Die Lage außerhalb der Stadt, mitten im Grünen in einer ehemaligen Siemens-Betriebsstätte, darf nicht dazu verleiten, hier einen Hinterwäldler zu vermuten. 44 Beschäftigte arbeiten mit erfahrenen Händen und einem hochmodernen Maschinenpark für Suchy; das ist in High-End-Verhältnissen, wo kleine Manufakturen das Bild bestimmen, schon eine Großfabrikation. Aber Heuschrecken, die immer mal anfragen, haben keine Chance. Drei Kinder des Patrons, darunter eine Tochter, sind schon leitend im Unternehmen tätig, ergänzen sich nach Neigung und Ausbildung und vertragen sich sogar - der Traum vieler Mittelständler ist hier in Erfüllung gegangen.
Feingefühl und ein scharfes Auge

Mit Liebe: Statement-Detail
Trotz erfolgreicher Nachfolgeregelung legt Peter Suchy die Hände natürlich nicht in den Schoß. Er sieht sich weiter als Vordenker des Unternehmens, das neben Plattenspielern und ihren Komponenten auch Elektronik wie Verstärker, Netzkonditionierer und -filter, Zubehör sowie als Spezialität Schallplatten-Waschmaschinen und ein Gerät zum Planieren verwellter LPs herstellt. Der Clearaudio-Gründer kommt aus der Kerntechnik: Da sind ihm Mikrostrukturen ebenso vertraut wie kleinste Fertigungstoleranzen. Gute Voraussetzungen, um Erfolg in der letzten Bastion der Mechanik in der Unterhaltungselektronik zu haben, dort, wo es nicht ums beste Design von integrierten Schaltkreisen geht, sondern um minimale Lagerreibung, hochpräzise Rotationsgeschwindigkeit, wirksame Schwingungsdämpfung und optimalen Nadelschliff, dazu um Feingefühl und ein scharfes Auge - und ein ebenso vifes Ohr, wenn dann das Ergebnis beurteilt werden soll.
Drei wichtige Innovationen hat Peter Suchy zur Plattenspielertechnik und zum Erfolg von Clearaudio beigetragen. Da ist zum Ersten eine mechanisch, elektrisch und magnetisch absolut symmetrische Variante des Tonabnehmers in Moving-Coil-(MC-)Bauweise mit einem Wirkungsgrad, der um 30 Prozent besser ist als sonst üblich. Da ist als Zweites ein Tangential-Tonarm - mit ihm bleibt beim Abspielen der Winkel zwischen Nadel und Plattenrille über den gesamten Umfang der LP konstant -, der mit Hilfe von zwei Kugellagern den Abtastvorgang selbsttätig regelt. Und da ist drittens ein Phono-Vorverstärker mit optionaler Stromversorgung über Nickel-Metallhydrid-Akkus, der die zarten Signale von MC-Systemen besonders schonend für die folgenden Verstärkerstufen aufbereitet. Man sieht schon: Hier geht es längst nicht mehr um Basistechnik, sondern um High-Tech-Details. Dass dies alles aber L'art pour l'art sei, würde Suchy niemals gelten lassen. Letztlich entscheide das unbestechliche Ohr des Hörers über Maß und Nutzen solchen Fortschritts - und dem stelle man sich gern.
Nicht ganz günstig

Günstig für Einsteiger: Performance-Laufwerk für rund 2.000 Euro.
Unter vielen High-End-Beflissenen gilt die Vinylplatte gegenüber der CD als das schöner klingende und emotional ansprechendere Medium, gekonnte Aufnahmen und gute Wiedergabegeräte vorausgesetzt. Da ist kaum Platz für ganz Billiges, und obwohl Clearaudio Angebote in einer großen Preisspanne bereithält, muss selbst der Einsteiger schon ein wenig tiefer in die Tasche greifen. Für ihn sind eher komplett ausgerüstete Plattenspieler - „Laufwerks-Pakete“ - gedacht, die in Erlangen schon ab rund 1.000 Euro offeriert werden. Käufer mit höheren Weihen stellen sich ihr Gerät ebenso aus Einzelkomponenten zusammen, wie sie es bei einem wertvollen Fahrrad tun würden. Dann kostet schon das Laufwerk mindestens so viel wie das Anfänger-Paket, und nach oben hin sind kaum Grenzen gesetzt - allenfalls beim 350-Kilogramm-Boliden Statement für 75.000 Euro. Bei Tonarmen reicht das Preisgefüge von 570 bis fast 16.000 Euro (viele Laufwerke werden gleich mit mehreren davon bestückt), bei Tonabnehmern von 150 bis knapp 8.000 Euro.
Die Gemeinde, die solchen Aufwand treiben kann, ist denn auch auf der ganzen Welt verstreut - kein Wunder, dass der Exportanteil von Clearaudio bei 85 Prozent liegt und kein Land exotisch genug ist, um nicht auf einem Lieferschein aufzutauchen. Machen wir doch einfach die Hör-probe aufs Exempel. Peter Suchy weiß schon, wie: mit dem Laufwerkspaket Performance Black Pearl, bestückt mit dem Carbon-Tonarm Satisfy und dem Moving-Magnet-Abtaster Maestro Wood, alles zusammen für 2.000 Euro. Dieses Ensemble wurde gerade von der Londoner Sonntagszeitung „Mail on Sunday“ in einem seriösen Vergleichstest mit dem Titel „Best Buy“ ausgezeichnet - „zehn Millionen Leser“, freut sich der Prinzipal.
Edle Verarbeitung

Nur das Beste: Statement-Laufwerk, 350 Kilogramm, 75.000 Euro.
Die Erscheinung des Performance ist konventionell, der aus Schwingungsgründen abseits stehende Antriebsmotor mit Riemenübertragung auf dem Stand der Technik, die Verarbeitung erwartungsgemäß makellos. Doch die Finesse steckt im Detail. Der Acrylglas-Plattenteller dreht sich in einer Achse aus Keramik, sein Gewicht wird berührungsfrei von einem kräftigen Feld zwischen zwei Neodym-Magneten getragen. Die Zarge, die Basisplatte, ist ein steifer und gewichtiger Sandwich aus Aluminium und Acrylglas. Steif, aber leicht ist der Tonarm; die Lager seiner kardanischen Aufhängung würden auch ein teureres Angebot zieren. In seinem Inneren führt er die Kabel ohne Unterbrechung vom Abtaster bis zu den Ausgangsbuchsen. Der Tonabnehmer mit Holzkorpus und Diamantnadel kostet einzeln schon 625 Euro und ist technisch ebenfalls eng verwandt mit noch aufwendigeren Alternativen im Clearaudio-Programm. Sagt da noch einer etwas gegen den Paketpreis!
Aber lassen wir doch einfach den Performance selber sprechen - oder singen, zum Beispiel mit der Stimme von Fritz Wunderlich auf der von Clearaudio zusammen mit der Deutschen Grammophon neu aufgelegten Aufnahme von Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Der Zauber dieser vierzig Jahre alten Aufzeichnung erschließt sich dank Peter Suchys Arbeit ganz neu: Wie leibhaftig und lebhaft ist der Ausnahme-Tenor präsent; Hubert Giesens Klavierbegleitung füllt den Raum mit Verve und Delikatesse. Rund und warm und gar nicht nostalgisch ist der Klang, präzise kommen Artikulation und Anschlag. Die Musik drängt die Technik von Anfang an in den Hintergrund - und wäre doch nicht möglich ohne sie. Was macht es da schon aus, dass der CD-Verwöhnte zweimal aufstehen und die Scheibe umwenden muss? Peter Suchy lächelt. Gewiss, die Schallplatte ist unbequem zu handhaben, rauscht ein wenig, knackt manchmal und fasst allenfalls eine halbe Stunde Musik pro Seite. Aber was ist das gegen ihre Unsterblichkeit? Klang ist immer analog, resümiert er, also ist die Analog-Schallplatte das berufene Medium am Anfang der Wiedergabekette, klanglich garantiert unlimitiert und unkomprimiert. Sie ist es wert, ihr ein Lebenswerk zu widmen.


Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30.09.2007, Nr. 39 / Seite V16

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