Dienstag, 25. Dezember 2007

BEAR FAMILY

Die größte Fundgrube mit gefilmter klassischer Country Music aus den Endfünfziger- und Frühsechziger-Jahren, die es jemals gegeben hat!
Um 1956/57 drehten die United States Armed Services eine Reihe von Rekrutierungsfilmen mit den damals bekanntesten Country-Stars. Jahrzehntelang waren diese Filme nicht zu sehen, die einige der populärsten Nashville- Künstler präsentieren, wie sie viele ihrer größten Hits singen. Es handelt sich um klassische Liveauftritte, und es ist die einzige Chance für viele von uns, diese Giganten der Country Music auf dem Höhepunkt ihrer Karriere zu sehen und zu hören. Für viele Fans ist es immer ein Traum geblieben, in den 50er Jahren in Nashville dabei gewesen zu sein und diesen Aufmarsch der Top-Stars mitzuerleben. Jetzt wird dieser Traum Realität, die Asse spielen 'live' in jedem Wohnzimmer. Die Bild- und Tonqualität ist lupenrein und kristallklar, es gibt zusätzliche Mini-Biographien und seltene Fotos, die dieses Erlebnis abrunden.

Einzeltitel:

  1. Faron Young: Stay All Night, Stay A Little Longer
  2. Faron Young & Darrell McCall: Forget The Past
  3. Faron Young: Is She All You Thought She'd Be
  4. Army Recruiting Spot
  5. The Jordanaires: Down By The Riverside
  6. Faron Young: A World So Full Of Love
  7. Faron Young: Stay

Gib Gas-Autogas

Gib Gas - im wahrsten Sinne des Wortes Viele klagen über die gestiegenen Spritpreise. Wer sein Auto mit Gas antreibt, spart hingegen bei jeder Fahrt bares Geld. Noch sind Gas-Autos aber selten. Von Ute Kernbach

Und kost’ Benzin auch zwei Mark zehn, . . . egal, es wird schon gehen.“ So sang es Markus einst 1982. 25 Jahre später würden wir jubeln, würde der Liter Sprit nur 1,07 Euro kosten. Stattdessen bewegt sich der Preis für Diesel bei 1,35, für Superbenzin wird mitunter schon mehr als 1,50 Euro verlangt. Und wer weiß, wie hoch der Spritpreis noch steigt.

Immer mehr Autofahrer denken über andere Möglichkeiten nach. Die gängigsten sind Erdgas und Autogas, schlicht deshalb, weil diese Treibstoffe vom Fiskus nicht so stark besteuert werden. Und der Steuervorteil ist bis zum Jahr 2018 festgeschrieben. Über Erdgas-Fahrzeuge ist an dieser Stelle schon berichtet worden (F.A.Z. vom 29. September), jetzt soll es um Flüssig- oder Autogas (kurz LPG) gehen. Die Existenz zweier ähnlicher Systeme ist für die Entwicklung sehr nachteilig. Erdgas und LPG behindern sich gegenseitig, schlicht deswegen, weil der Verbraucher nicht weiß, was er wählen soll. Einiges spricht für Erdgas (CNG). Es ist ein natürliches Produkt wie Erdöl, große Vorkommen liegen in der Nordsee, es besteht somit keine so große Abhängigkeit von den Ölförderstaaten. Autogas wiederum ist ein Abfallprodukt, was bei der Gewinnung von herkömmlichen Kraftstoffen entsteht. SPG und CNG sind umweltfreundlicher als Benzin oder Diesel (es entsteht weniger CO2, wobei CNG noch umweltfreundlicher ist als LPG).

Ein gutes Dutzend CNG-Autos ist ab Werk zu kaufen, LPG (Liquified Petrol Gas) gibt es dagegen nur als Nachrüst- oder Umrüstlösung. Wer mit Autogas fährt, spart ungefähr die Hälfte der Spritkosten, nach Angaben des DVFG (Deutscher Verband Flüssiggas) mussten die LPG-Piloten in diesem Jahr durchschnittlich 64 Cent je Liter berappen. Allerdings liegt der Durchschnittsverbrauch im LPG-Betrieb um zirka 15 Prozent höher als im Benzinbetrieb. Sonst ändert sich nichts, die Motorleistung ist die gleiche, bei CNG ist sie etwas schwächer.

Ein weiterer Vorteil von LPG gegenüber CNG (Compresses Natural Gas) liegt darin, dass für LPG eine einheitliche europäische Norm für die Kraftstoffqualität existiert. Erdgas hingegen wird als L-Gas (Low Gas) oder auch H-Gas (High Gas) angeboten, dies kann zu unterschiedlichem Emissionsverhalten führen, und auch die Reichweite pro Tankfüllung ist abhängig von der Qualität des Kraftstoffs. Außerdem gibt es vor allem in den Nachbarländern (Italien, Holland, Österreich, Großbritannien) wesentlich mehr LPG-Tankstellen. In Deutschland sind es zurzeit 3000, das Netz dürfte etwas dichter sein als das für Erdgas.

Derzeit fahren nach Angaben der DVFG rund 210 000 Autogas-Fahrzeuge auf deutschen Straßen. Die steigenden Benzinpreise zeigen schon Wirkung: Wurden 2005 rund 35 000 Autos umgebaut, waren es 2006 bereits 60 000, und in diesem Jahr werden 70 000 Umrüstungen erwartet.

Umrüsten kann man jeden Wagen mit Benzinmotor, mit Ausnahme einiger Direkteinspritzermodelle. Je einfacher die Motorsteuer-Elektronik eines Fahrzeugs aufgebaut ist, desto schneller kann man auf Autogas umsteigen. Unternehmen, die Personenwagen auf Autogas nachrüsten, gibt es viele. In den Internet-Suchmaschinen ist die Auswahl sehr groß. Aber noch lange nicht jeder Anbieter ist seriös. Wie so oft im Leben sollte man sich auch hier bei der Auswahl des Nachrüsters sorgfältig informieren. Die meisten Hersteller und Importeure, die LPG-Nachrüstungen anbieten, haben dafür auch autorisierte Händler.

Was für den Umbau wichtig ist, erläutert der Autogasexperte Udo Szamatulski, Geschäftsführer der Rhein Main Automotive GmbH in Rödermark: Wichtig sei die Programmierung vom Kennfeld im Gassteuergerät, fehlendes Wissen dort bedeute kapitale Motorschäden. Die Software-Feinabstimmung sei das A und O.

Bei den Autogas-Fahrzeugen erfolgt der Antrieb wahlweise mit Flüssiggas oder Benzin. Der Gastank, der je nach Modell unterschiedlich groß ist, kann in der Reserveradmulde untergebracht werden; damit wird das Kofferraumvolumen praktisch nicht beeinträchtigt. Per Knopfdruck kann man bequem zwischen den beiden Antriebsarten umschalten. Gestartet werden muss mit Benzin, von alleine zündet das Gas nicht. Die Umrüstzeit auf Autogas beträgt zirka zwei Tage, die Kosten liegen zwischen rund 2200 und 3700 Euro für gängige Vier- und Sechszylindermodelle. Nachrüstsätze für bivalenten Betrieb bieten beispielsweise Chevrolet, Fiat, Kia, Lada, Opel, Subaru und VW an. Eine Auswahl der zurzeit „offiziell“ angebotenen Autogas-Fahrzeuge mit Verbrauchs- und Emissionswerten findet sich in der unten aufgeführten Tabelle.

Chevrolet hat seine „Autogas-Offensive“ noch bis einschließlich 31. Dezember dieses Jahres verlängert: Beim Kauf der Modelle Lacetti, Nubira Kombi, Rezzo und Epica ist die Anlage unentgeltlich, dies bringt dem Käufer einen Preisvorteil von 2410 bis 2760 Euro. Auch Subaru bietet beim Kauf eines gasfähigen Neu- oder -Vorführwagens noch bis zum 30. November einen kostenfreien Umbau an, was einem Preisvorteil von rund 2900 Euro entspricht.

Szamatulski sieht es für Autogas als weiteren Vorteil, dass die Umrüstmöglichkeiten dafür preiswerter und auch bei mehr Fahrzeugen zu verwirklichen sind als für Erdgas. „Schon bei einer Gesamtfahrleistung von rund 45 000 Kilometer, die der durchschnittliche Autofahrer innerhalb von drei Jahren zurücklegt, amortisieren sich die Einbaukosten einer Autogasanlage“, rechnet er vor.

Der Motor leide übrigens nicht unter dem Betrieb mit Gas, im Gegenteil. Da LPG besser verbrenne (es hat 110 Oktan, Superbenzin nur 95), werde der Motor sogar eher geschont. Zu berücksichtigen seien allerdings leicht erhöhte Wartungskosten, alle 30 000 Kilometer müsse ein bestimmter Filter gewechselt werden, zudem sei die TÜV-Prüfung teurer (27 Euro), weil die Gasanlage zusätzlich abgenommen werden muss.

Dennoch, vieles spricht für Autogas. Und je teurer der herkömmliche Kraftstoff wird, desto stärker steigt die Nachfrage nach LPG.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.11.2007 Seite 52

Siehe Übersicht unten!

Bruce Springsteen in Mannheim

Bruce Springsteen

Rocker fordern: Mindestlohn für ehrliche Arbeit!

Von Edo Reents

03. Dezember 2007 Es ist schon merkwürdig, wie aufmerksam es registriert wird, wenn Bruce Springsteen sich über Amerika äußert. Selbst wenn er nur ganz allgemein von „Wahrheit“ und „Lüge“ spricht, wird das schon als brisante Aussage verbucht, die ja wohl ganz unverkennbar gegen die Regierung gerichtet sei. Seit bald einem Vierteljahrhundert, seit der epochemachenden Platte „Born In The U.S.A.“, geht das nun so, dass Springsteen als durch und durch patriotisch und doch irgendwie kritisch gilt. Aber selbst wenn es so sein sollte, dass er etwas gegen George W. Bush hat und froh ist, wenn der Präsident endlich weg ist – so dumm wird er nicht sein, dass er sich dazu ausdrücklich vernehmen ließe; er ist ja kein „Dixie Chick“ und legt auch keinen Wert darauf, dass seine Platten öffentlich verbrannt werden.

Und so hielt er sich denn beim ersten von vorläufig zwei Deutschlandkonzerten in der Mannheimer SAP-Arena vor 13.000 Leuten (am 13. Dezember dann vor vermutlich 16.000 in Köln) auch ziemlich zurück in seinen ohnehin äußerst knappen Ansagen: Bevor er das Titellied seiner jüngsten Platte „Magic“ anstimmte, das hier als fünftes kam, nuschelte er etwas von „truth“ und „lies“ und sang dann los: „Trust none of what you hear / And less of what you see“ – Dinge, die jede vernünftige Mutter ihren Kindern frühzeitig beibringt. Bei Springsteen aber wird daraus sofort ein Statement zum Irak-Krieg, der auf der ganzen Platte nicht eine direkte Erwähnung findet und auch im Konzert nicht fand. Die Gegnerschaft zu einer falschen politischen Entscheidung ist so wenig originell wie die Musik, die sie angeblich transportiert. Ist das womöglich der Grund für die andauernde Befragung zur Politisierung Springsteens: der kleinste gemeinsame Nenner?

One, two, three, four!“

Auf das Mannheimer Konzert wäre eine andere Kategorie vielleicht eher anzuwenden: der Mindestlohn. Was kriegt so einer, der mit seinen achtundfünfzig Jahren und dem breitbeinig-selbstgewissen Gang so schwer vermittelbar wirkt, eigentlich für diese Malocherei? Hat seine Gewerkschaft dreißig Prozent Lohnzuwachs ausgehandelt, während Kollegen, die doch auch auf dem alten Stahlross der Unterhaltung schuften, aber anders organisiert sind, sich mit fünf zufriedengeben müssen? Es war jedenfalls echte, ehrliche Akkordarbeit, die er hier ablieferte. Seltsam gehetzt und doch von der klassischen Rock-’n’-Roll-Logik zwingend gefordert, leitete er fast jeden der dreiundzwanzig Songs mit einem „One, two, three, four!“ ein, auch wenn der letzte Donnerakkord des jeweils vorigen Lieds noch gar nicht verklungen war.

Auf diese Weise brachte Springsteen das Kunststück fertig, das Programm in gut zwei Stunden hinter sich zu bringen. Spitzfindigkeiten über die heimatliche Situation hätten den Auftritt nur unnötig in die Länge gezogen und dazu geführt, dass weniger gespielt worden wäre. Aber zwei Stunden? Früher wäre das einer Arbeitsverweigerung gleichgekommen, denn da waren es gut und gerne vier. Springsteen und die acht Musiker seiner alten „E-Street Band“, allesamt in rustikales Schwarz oder zumindest Dunkelblau gekleidet, werden eben auch nicht jünger, und für das Publikum, das der Boss von Anfang an im Griff hatte, gilt das genauso: Das waren nicht gerade die iPod-Träger, mit dem Hosenbund schon fast unter der Po-Ritze.

Knüppeldick und laut

Es war, um nun endlich zur Sache zu kommen, ein bewegendes, außerordentlich kraftvolles Konzert, das in dieser Form wohl auf beiden Seiten nicht viel länger hätte durchgehalten werden können. Alle wussten ja schon vorher oder konnten sich zumindest denken, mit welcher Energie Springsteen an die Sache herangehen würde – dass es so knüppeldick und laut kommen würde, war dann doch nicht zu erwarten. Zeitweise standen vier Gitarristen auf der Bühne, unter ihnen ein winzig kleiner Nils Lofgren und der uralte Gefährte Steve Van Zandt, der so etwas wie den Führungsoffizier bei dem Stimmungsanheizen gab, das Springsteen mit großen, aber auch netten Gesten selbst besorgte; Clarence Clemons blies seine Soli ins Saxophon; und über allem thronte Max Weinberg, der mit geradezu barbarischer Präzision und Wucht auf sein bemerkenswert kleines Schlagzeug eindrosch.

Was soll man noch sagen? Die Titel der Songs sind ja bekannt. Diesmal waren darunter erfreulicherweise auch drei von der Platte „Darkness On The Edge Of Town“, mit der Springsteen 1978 recht eigentlich erst der amerikanische Jedermann wurde, den man bis heute in ihm sieht. Die vertraute Magie stellte sich auf Anhieb ein: dieses Nur-ja-nicht-unterkriegen-lassen-Pathos, der fiebrige Lebenshunger und, natürlich, die Desillusion gelebten Lebens und abgelebter Liebe. Hierin, in der schwer auf den Begriff zu bringenden Mischung aus Übermut und Melancholie, ist Springsteen einfach ein Meister. Die Sicherheit, mit der er seinen Instinkten traut, hat ihn in fünfunddreißig Jahren nicht verlassen und wird es wohl auch nicht mehr.

Jon Landau hat den Namen, den die Zukunft des Rock ’n’ Roll hatte, damals schon ganz richtig gelesen. Es wäre albern, heute noch von einer Zukunft zu sprechen; es gibt keine mehr. Es gibt nur eine Vergangenheit, und ihr Name ist Bruce Springsteen. Etwas Schmeichelhafteres kann über einen Musiker nicht gesagt werden, wenn einem Vergan-

genheit etwas bedeutet und enttäuschte Hoffnungen eben doch nicht alles sind. Von Springsteen wissen wir, was beides bedeutet. Vielleicht trieb einem deswegen das Feuer, mit er seinen vielleicht besten Song, „Dancing in the Dark“, immer noch anzufachen weiß, Tränen in die Augen. EDO REENTS



Text: F.A.Z.


Montag, 24. Dezember 2007

IkeTurner

Der Mann, der den Rock ’n’ Roll erfand

Zum Tod des amerikanischen Rockmusikers und Komponisten Ike Turner

In dem Film „What’s Love Got to do With It“ gibt es eine Szene, in der Ike Turner seiner Frau Tina Musik vorspielt, die er gerade komponiert hat. Auf die Frage nach ihrer Meinung antwortet sie: „Es klingt alles . . . irgendwie gleich.“ Und schon setzt es Schläge. Ist das die ganze Wahrheit über Ike Turner? Das Publikum, noch im Taumel über Tina Turners gewaltige, musikalisch indes durchschnittliche Soloerfolge, mochte es glauben; immerhin basierte der Film von 1993 mit Angela Bassett und Laurence Fishburne in den Hauptrollen auf Tina Turners Autobiographie „I, Tina“.

Ike Turner hat dem Bild, das man sich von ihm als Scheusal und Frauenschänder gemacht hat und das seine immensen Leistungen für die Rockmusik in den Hintergrund drängte, nur halbherzig entgegengesteuert. Seine Autobiographie, in der er dies und das zugibt, vermittelt einen Eindruck von den Härten, denen er selbst ausgesetzt war: Der Fünfjährige wird Zeuge, wie man seinen Vater, einen Baptistenprediger, wegen einer Frauengeschichte dermaßen zusammenschlägt, dass dieser jahrelang in einem Verschlag vor sich hinvegetiert – der Gestank der faulenden Wunden machte eine Hausgenossenschaft unmöglich, Ike brachte ihm die Mahlzeiten.

Dies und manches andere hat ihn wahrscheinlich zu einem rücksichtsloseren Mann gemacht, als für ein Zusammenleben gut war. Eines steht aber fest: Was die Musik betrifft, so war Ike Turner sich seiner Sache immer absolut sicher; und womöglich ist das der Grund dafür, dass seine Sachen in der Tat alle irgendwie gleich klingen – so gleich, wie sich der Rock ’n’ Roll, als dessen Erfinder er zu gelten hat, eben selber ist. Denn „Rocket 88“ kam 1951, drei Jahre vor Elvis und den anderen, denen er mit Herablassung begegnete, heraus – unter dem Namen: „Jackie Brenston and his Delta Cats“. Dahinter verbargen sich aber Ike Turner und die Kings Of Rhythm, Brenston sang nur. Ike Turner muss über ein unglaubliches Selbstvertrauen verfügt haben. Mit zwanzig, in einem Alter also, in dem heutige Rockmusiker höchstens als Milchbärte durchgehen, war er Talentscout und beaufsichtigte die Plattenaufnahmen von Bluesmusikern, die seine Väter hätten sein können. Aber erst als er 1956 die damals noch minderjährige Annie Mae Bullock entdeckte, trat auch er, zwangsläufig, ins Rampenlicht: „The Ike and Tina Turner Revue“ präsentierte – und darin liegt Ike Turners zweite, große Neuerungsleistung – den soullastigen, rauhkehligen Rock ’n’ Roll mit aller Entschlossenheit als das, was er zumindest in seiner amerikanischen Spielart ist: als Revue eben. Mit eiskalter Professionalität zog er, an der Gitarre und am Klavier, bei einem erotisch an der Grenze zur Anstößigkeit aufgeladenen Entertainment die Strippen, während Tina sich die Seele aus dem Leib schrie: „A Fool in Love“, „I Want to Take You Higher“, dazu Fremdkompositionen wie Phil Spectors „River Deep, Mountain High“ oder John Fogertys „Proud Mary“ (man höre die gerade erschienene Box „The Ike & Tina Turner Story“). Nach der Trennung 1976 ging es für Tina, mit Verzögerung, erst richtig los mit einer Weltkarriere, die Ike versagt blieb. Er verharrte mit gelegentlichen, die Essenz des Rock und Soul bewahrenden Soloplatten auf dem Niveau, das er mit genialem Spürsinn einst gefunden hatte. Am Mittwochmorgen ist Izear Luster „Ike“ Turner im Alter von sechsundsiebzig Jahren in seinem Haus nahe San Diego gestorben. Selbst wenn Tina ihm keine Träne nachweint – die Rockmusik hat einen ihrer Großen verloren. EDO REENTS

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.12.2007 Seite 35


Gespräch mit Geoff Emerick

Gespräch mit Geoff Emerick, dem Toningenieur der berühmtesten Band der Welt

Ich war der sechste Beatle

Einen Sack Flöhe zu hüten muss leichter sein: Geoff Emerick, Jahrgang 1946, war bei Jahrhundertalben wie „Revolver“ und „Abbey Road“ der Mann hinter den Reglern.

Wem haben Sie es zu verdanken, dass Sie Toningenieur der Beatles wurden: Mr. Barlow vom Arbeitsamt oder Pink Floyd?
Dem netten Mr. Barlow, würde ich sagen. Er war es, der mir, einem Jungen von fünfzehn Jahren, das Vorstellungsgespräch bei der Plattenfirma EMI vermittelt hat. Dass ich später Toningenieur der Beatles wurde, hat natürlich schon mit Pink Floyd zu tun. Norman Smith, der die Beatles von 1962 bis 1965 aufgenommen hat, wollte die frühen Pink Floyd produzieren. Bei EMI konnte man damals aber nicht gleichzeitig Produzent und Toningenieur sein. So kam es, dass von einem Tag auf den anderen ich für die Beatles-Aufnahmen verantwortlich wurde.
In Ihrem Buch beschreiben Sie die EMI-Studios, die heute als Abbey-Road-Studio weltberühmt sind, als einen muffigen Ort, der so ziemlich genau das Gegenteil von Pop war: altmodisch verstaubt, spätviktorianisch, reglementiert.
Das Ganze war so etwas wie ein Abbild der englischen Klassengesellschaft. Als ich 1962 dort mit fünfzehn anfing, hatten die Leute von der Klassik das Sagen. Auf die kleine Pop-Fraktion blickte man herab. Und es schien Regeln für alles zu geben, von der Plazierung der Mikrofone über die Kleidung bis hin zum Verhalten gegenüber den Musikern. Man sollte mit den Künstlern nur dann reden, wenn sie einen zuvor angesprochen hatten. Schuhe mussten glänzen, Krawatte war Pflicht, und die Anzugsjacke durfte man im Tonstudio nur dann ablegen, wenn man um Erlaubnis gebeten hatte.
In ihren Memoiren („Du machst die Beatles!“) bekommt man den Eindruck, dass für den Toningenieur vor allem John Lennon eine Herausforderung darstellte.
John hatte ganz genaue Vorstellungen, wie etwas klingen sollte; vor allem, was seine Stimme betrifft. Seine Vorgabe war: Mach es so, dass ich nicht nach mir klinge. Doch konnte er seine Vorstellungen oft nicht rüberbringen. Also musste man das interpretieren. Das fing schon beim ersten Song meiner allerersten Session als Toningenieur an: „Tomorrow Never Knows“ auf dem Album „Revolver“. Da wollte Lennon, dass seine Stimme so klingt, als würde der Dalai Lama von einem weit entfernten Berggipfel herunter singen. Damals hatten wir keine Software oder irgendwelche Effektgeräte, durch die man seine Stimme hätte jagen können. Was wir hatten, waren Mikrofone, ein Mischpult, vier Tonspuren und eine Echokammer. Das war’s! Deswegen musste man sich jedes Mal etwas Neues ausdenken.
Wie bekamen Sie den Dalai Lennon hin?
Wir haben seine Stimme durch die im Kreis rotierenden Lautsprecher einer Leslie-Orgel gejagt. Das gefiel ihm.
Je länger Sie mit den Beatles arbeiteten, desto anstrengender wurde es. „Sergeant Pepper“ wurde über viereinhalb Monate vor allem nachts aufgenommen.
Trotzdem habe ich gerade diese Aufnahmen in bester Erinnerung. Wir haben damals mit Klangexperimenten und Sounds gearbeitet, die wir zum Teil schon für „Revolver“ im Jahr zuvor entwickelt hatten. Diesmal konnten wir sie kontrollierter einsetzen. Außerdem schien alles, was die Beatles anfassten, zu klappen. Die erste Nummer, die wir aufgenommen haben, war „Strawberry Fields“ – eine solche Nummer gleich zu Beginn! Irgendwie übertraf jeder weitere Song den davor.
Welche Einspielung war das größte Erlebnis für Sie?
„A Day in the Life“. Uns lief es kalt den Rücken herunter, als John Lennon zum ersten Mal darüber sang. Noch stärker war der Eindruck, als wir uns den Song anhörten, nachdem wir dieses berühmte Orchester-Crescendo eingefügt hatten. Das war, wie wenn man sich einen Schwarzweißfilm anschaut, und auf einmal ist er in Farbe zu sehen! Keiner, der damals im Studio war, hatte in seinem Leben jemals einen solchen Pop-Song gehört.
Wenn es nach Elvis Costello geht, waren Sie bei „Sergeant Pepper“ mehr als nur Toningenieur. Für ihn sind Sie der eigentliche Koproduzent des Albums. Dabei hat man Sie damals auf dem Plattencover nicht einmal erwähnt.
Das war noch nicht üblich. Immerhin habe ich später einen Grammy dafür bekommen. Was Elvis Costello betrifft: Das ist natürlich sehr schmeichelhaft, was er da über mich gesagt hat. Da wird schon ein bisschen was dran sein.
Gilt umgekehrt, dass in dem Maße, in dem die Beatles selbstbewusster wurden und das Studio für ihre Musik immer wichtiger, die Rolle von George Martin als Produzent abnahm?
Das war schon so. Beim „White Album“, das ich etwa zur Hälfte aufnahm, bevor ich es nicht mehr aushielt und ging, hatte er die Kontrolle über die Beatles so ziemlich verloren. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: George Martins Bedeutung für die Beatles, ihren Sound, ihre Harmonien, ihren Gruppengesang, die Struktur ihrer Songs war immens, auch wenn er zum Ende hin nicht mehr die Rolle hatte wie zu Beginn.
Von George Martin stammt der Satz, „Sergeant Pepper“ wäre mit vierundzwanzig Tonspuren auch nicht besser geworden als mit vier Spuren.
Mit weniger Spuren ist man eben gezwungen, Entscheidungen zu treffen. Mit den heutigen digitalen Aufnahmeverfahren sind die Möglichkeiten nahezu grenzenlos, damit aber auch die Variablen. Deswegen läuft man Gefahr, im Kreis zu laufen.
Wann haben Sie eigentlich zum ersten Mal gemerkt, dass die Beatles sich auseinanderentwickeln?
Am Tag vor ihrem Abflug nach Indien hatten sie „Hey, Bulldog“ eingespielt. Da herrschte noch allerbeste Stimmung. Als sie aus Indien zurückkamen, waren sie wie verwandelt: zornige Typen, die auf einmal doppelt so laut spielten – was meinen Job auch nicht gerade leichter machte.
Wenn man „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ vom „Weißen Album“ hört, würde man nicht vermuten, dass ausgerechnet bei diesem Song alles überkochte.
Lennon hat diesen Song einfach nur gehasst! Es war kein Zufall, dass sich die ganzen Spannungen entluden, als McCartney seinen Gesang zum ich weiß nicht wievielten Mal noch mal aufnehmen wollte. Bei diesem Song wurde mir der ganze Ärger, den die Beatles untereinander hatten, einfach zu viel. Am nächsten Tag habe ich erklärt, dass ich aufhöre.
Was haben Sie empfunden, als das „Weiße Album“ schließlich herauskam?
Ich habe mir dieses Album bis heute nie angehört. Natürlich kenne ich einzelne Songs daraus, allein schon, weil sie immer wieder im Radio laufen; aber freiwillig oder als Ganzes: bis heute nicht. Es geht einfach nicht. Ich habe so unglaublich schlechte Erinnerungen an diese Aufnahmen – das käme alles hoch.
Bei „Abbey Road“ saßen Sie doch noch einmal für die Beatles am Mischpult. War Ihnen klar, dass das ihr letztes Album sein würde?
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte auch keinen Grund, so etwas zu glauben; schließlich war ich derjenige, der den Beatles damals ihr Apple-Studio, das Magic Alex, ihr seltsamer Technik-Guru, total vermurkst hatte, wieder auf Vordermann brachte. Warum sollte ich da glauben, dass die Beatles sich auflösen würden? Außerdem war die Atmosphäre viel besser als beim „Weißen Album“.
Wie kam das?
George Martin hatte zur Bedingung gemacht, dass sie wieder zu einer normalen, einigermaßen kontrollierten Arbeitsweise zurückkehren und sich dabei einigermaßen gesittet benehmen. Es war zwar nicht so wie in den guten alten Tagen. Die Freundschaft der Beatles war einfach nicht mehr da. Das merkte man zum Beispiel, wenn einer seinen Solo-Part aufnehmen musste. Früher wären die anderen dabeigeblieben – einfach aus Neugierde und um dabei zu sein. Jetzt fuhren sie nach Hause und haben den anderen allein gelassen.
Haben Sie sich dieses Jahr „Love“ angehört, den Beatles-Remix von George Martins Sohn?
Nein. Werde ich auch nicht.
Weshalb?
Dieses „Love“-Album ist für mich so, wie wenn jemand an einem großen Kunstwerk herumpfuscht – als ob jemand an der Sixtinischen Kapelle herummalte, weil er glaubt, er könne es besser. So etwas macht man doch nicht! Und dann noch so tun, als ob das jetzt eine neue Beatles-Scheibe wäre, obwohl zwei Beatles schon nicht mehr leben.
Verraten Sie uns zum Schluss noch, ob Sie der fünfte Beatle sind?
Wenn überhaupt, dann ist das George Martin. Wenn es einen sechsten Beatle geben sollte, dann vielleicht Norman Smith und mich.
Das Gespräch führte Claus Lochbihler.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.12.2007 Seite 40

Montag, 29. Oktober 2007

Eric Claptons Autobiographie

Eric Claptons Autobiographie

Die Qual der Nüchternheit

Von Edo Reents

29. Oktober 2007 Wer dieses Buch gelesen hat, verspürt sofort das Bedürfnis, alle seine Eric-Clapton-Platten aus dem Schrank zu holen und sie der Reihe nach durchzuhören, um sich eine Frage zu beantworten: Wer ist mir lieber - der alte, frühe Clapton oder der neue, späte?

Musikalisch kann es hier keinen Zweifel geben; jeder an Rockmusik Interessierte wird der ersten Hälfte in der mehr als vierzigjährigen Karriere des englischen Gitaristen den Vorzug geben. Und doch schämt man sich für diese Einschätzung, weil man nun weiß, wie schwer es dieser Mann sich und anderen in dieser Zeit gemacht hat, und zwar aus einem einzigen Grund: Eric Clapton ist Alkoholiker - seit langem trocken zwar; aber schon ein Gläschen würde das Kartenhaus seines privaten Glücks zum Einsturz bringen.

Ich würde alles verlieren

Nur deswegen sieht man - und sieht hoffentlich auch seine Familie - ihm eine Äußerung ganz am Ende seiner Autobiographie „Mein Leben“ nach, die von solch ungeheuerlicher Aufrichtigkeit ist, dass man nicht weiß, was man dazu sagen soll: „Meine Frau und meine Kinder schenken mir täglich Glück und Freude, und wenn ich kein Alkoholiker wäre, würde ich mit Vergnügen sagen, sie seien das Allerwichtigste in meinem Leben. Aber das geht nicht, denn ich weiß, wenn ich meine Nüchternheit nicht ganz oben auf die Liste setze, werde ich alles verlieren.“

So etwas kann nur ein kranker Mensch sagen, und Clapton macht auch gar keine Anstalten, sich da in dem Sinne herauszureden, seine Familie sei ihm so wichtig, dass er alles dafür täte, sie zu erhalten, selbst wenn er sie dafür an die zweite Stelle setzen müsste. „Aber das geht nicht“ - so etwas kann nur ein Mensch sagen, der spürt, dass es Lebenstatsachen gibt, denen mit Dialektik und anderen Ausflüchten nicht beizukommen ist; ein Mensch, der gelernt hat, seinen Suchtcharakter als etwas Vorgängiges zu begreifen, als Grundlage seiner weiteren Entfaltung; ein Mensch auch, der mehr Glück als Verstand hatte und durch dieses Glück schließlich zu Verstand kam. Dieses Glück besteht hauptsächlich darin, dass er so viel Unglück überstanden hat.

Eingeständnis einer Lebenskrise

Als Eric Clapton im Frühjahr 1974 zugab, die vergangenen Jahre heroinbedingt auf „einer Wolke aus rosa Baumwolle“ geschwebt zu sein, da hörte sich das nach einer aufregenden Mitteilung an; aber es war nur das rocktypische Eingeständnis einer Lebenskrise, an deren Ende dann fast automatisch die menschliche und künstlerische Reifung steht. Die Öffentlichkeit neigt, versorgt mit stichwortartigen Informationen über prominente Tote, dazu, dergleichen zu dämonisieren. In Claptons Fall war das Heroin, verglichen mit dem Alkohol, fast ein Kinderspiel, und es ist geradezu erschütternd zu lesen, wie sehr die Trinkerei sein Denken und Fühlen beherrschte. Wenn man es trotzdem bedauert, dass er damit, nach aberwitzig vielen Rückfällen, aufgehört hat, dann aus einem einzigen Grund: Seine Musik war früher besser.

Es wäre töricht, hier einen direkten Zusammenhang zu unterstellen; immerhin erwähnt Clapton aber mehrmals, wie langweilig und wenig inspirierend sein Dasein in den ersten Trockenzeiten war und wie merkwürdig ihm sein eigener Sound vorkam. Es ist eine Binsenweisheit, dass die persönlichen Umstände beim Entstehen von Kunst oft nicht die günstigsten sind, wenn Unglück nicht überhaupt deren Voraussetzung ist.

Das nie eingespielte Glücksalbum

Clapton scheint es ähnlich zu sehen: „Nach einer Weile“, heißt es über das Jahr 2003, als er schon auf die Sechzig zuging, „wurde es Zeit für das nächste Album, und die Songs darauf sollten von den großartigen Dingen handeln, die sich in meinem Leben abspielten. Es ist gar nicht so einfach, Songs über das Glück zu schreiben, aber ich wollte vor aller Welt bekunden, wie radikal sich mein Leben geändert hatte.“ Schubert war kein Bluesmusiker; aber dachte Clapton an ihn, der gesagt hat, Musik, die nicht traurig sei, gebe es gar nicht? Es ist jedenfalls überflüssig zu erwähnen, dass dieses Glücksalbum nie eingespielt wurde. Stattdessen nahm Clapton eines auf, das ausschließlich Robert-Johnson-Material enthielt, Songs also jenes als Genie verehrten Musikers, der an der mythischen Crossroad in Mississippi dem Teufel seine Seele verschrieben haben will.

Wenn man so will, dann stehen auch Leben und Karriere dieses Gitarristen im Zeichen eines Kreuzes, das sich aus zwei Linien ergibt. Die eine ist die Bürde seiner enormen technischen Fertigkeiten, die ihm wohl erstmals spürbar wurde in der Londoner Wandschmiererei „Clapton is God“. Es hätte nahegelegen, dieses bis zum Überdruss zitierte, aber seiner Meisterschaft irgendwie eben doch gerecht werdende Diktum auszuschlachten. Clapton aber umkreist es wie einen blinden Fleck, und wer ihn schon ein wenig kannte, der weiß jetzt, dass es keine Koketterie war, als er gegen diese Art von Verehrung, so reizvoll sie bisweilen auch sein mochte, frühzeitig protestierte. Die Allüren, die er zerknirscht aufzählt, stehen auf einem anderen Blatt: „In mir hat schon immer ein Verrückter geschlummert, der nur darauf wartete, herauszukommen, und mit dem Trinken gab ich ihm die Erlaubnis.“

Gott und schwer Geprüfter

Die andere Linie, die seine Virtuosität irgendwann durchkreuzt, ist der künstlerisch fragwürdige Erfolg der späteren Phase, der sich verdichtete in „Tears in Heaven“, jenem Lied, mit dem Clapton den Unfalltod seines fünfjährigen Sohnes Conor im März 1991 verarbeitete. Die drei Seiten, auf denen diese Tragödie beschrieben wird, gehören zum Schlichtest-Anrührendsten des Buches und treiben auch dem, der die allgemeine Rührseligkeit reserviert betrachtet, Tränen in die Augen. Und es ehrt Clapton, dass er von den Skrupeln spricht, die ihn zunächst davon abhielten, mit seiner Trauermusik an die Öffentlichkeit zu gehen.

Zwei Linien, die sich überschneiden: der Gitarrengott und der privat schwer, man ist geneigt zu sagen: schwerer als mancher Kollege Geprüfte - was bedeutet dieses Kreuz? Es ist die Sollbruchstelle einer mit bemerkenswerter Selbstkritik geschriebenen und wahrscheinlich nur sehr wenig geschönten Autobiographie, in der sich Clapton, sicherlich unbeabsichtigt, als exemplarischer Künstler präsentiert. Viele große Rockmusiker standen vor dem Widerspruch zwischen Kunst und Kommerz, wenige haben ihn so heftig durchlebt wie er.

Er schämte sich für Cream

Wir sehen Clapton also vor uns: das englische „Landei“, das bei den Großeltern aufwächst; den jede Form von Pop anfangs strikt ablehnenden, rechthaberischen Musikfanatiker, der sich selbst und alle seine Bands immer nur an der besseren Möglichkeit misst und bei allem Hang zum Superlativ erstaunlich sachlich bleibt, wenn es um seinen Beruf geht („Außerdem stellt sich, wenn man vor einem Publikum spielt, das einen allzu bereitwillig geradezu anhimmelt, irgendwann Selbstgefälligkeit ein. Ich fing an, mich für Cream zu schämen, weil ich fand, dass die Band ein Schwindel war.“ Er schämte sich für „Cream“!); wir sehen den im Grunde wenig selbstbewussten Mann mit dem enormen Frauenverschleiß und das Beziehungsdrama mit Pattie Boyd, die er George Harrison ausgespannt und in seinem wohl berühmtesten Song „Layla“ verewigt hat; schließlich den späten und desto glücklicheren Familienvater: „Mein Gott, wie normal mein Leben wurde.“ Für seine Musik gilt das dann leider auch.

Das übersinnliche Spintisieren Robert Johnsons ist Clapton fremd, dazu ist er viel zu nüchtern. Aber besessen ist er vom Blues auch. Diese Tatsache hat man sich lange Zeit nur unter dem Aspekt des Trostlos-Berserkerhaften vorgestellt; jetzt sind wir schlauer und entdecken in dieser tief empfundenen Leidenschaft geradezu etwas Schalkhaftes. Der Schmerzensmann, der ja zwischenzeitlich schon wie ein Bibliotheksangesteller daherkam, erinnert sich, wie der verstorbene Atlantic-Präsident, sein Freund und früher Förderer Ahmet Ertegun, ihm einst im Suff folgende Songzeilen vorsang: „Heaven, please send, to all mankind, understanding und peace of mind. But if it's not asking too much, please send me someone to love.“ Und Clapton erläutert: „Ich glaube, für ihn war das die Essenz der schlichten Ironie, die der Blues so oft verkörpert.“ Für Clapton sicherlich auch.

Eric Clapton: „Mein Leben“. Aus dem Englischen von Kristian Lutze und Werner Schmitz. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 350 S., geb., Abb., 19,90 Euro.

Buchtitel: Mein Leben
Buchautor: Clapton, Eric

Text: F.A.Z., 29.10.2007, Nr. 251 / Seite 37

Sonntag, 28. Oktober 2007

BEAR FAMILY

Die größte Fundgrube mit gefilmter klassischer Country Music aus den Endfünfziger- und Frühsechziger-Jahren, die es jemals gegeben hat!
Um 1956/57 drehten die United States Armed Services eine Reihe von Rekrutierungsfilmen mit den damals bekanntesten Country-Stars. Jahrzehntelang waren diese Filme nicht zu sehen, die einige der populärsten Nashville- Künstler präsentieren, wie sie viele ihrer größten Hits singen. Es handelt sich um klassische Liveauftritte, und es ist die einzige Chance für viele von uns, diese Giganten der Country Music auf dem Höhepunkt ihrer Karriere zu sehen und zu hören. Für viele Fans ist es immer ein Traum geblieben, in den 50er Jahren in Nashville dabei gewesen zu sein und diesen Aufmarsch der Top-Stars mitzuerleben. Jetzt wird dieser Traum Realität, die Asse spielen 'live' in jedem Wohnzimmer. Die Bild- und Tonqualität ist lupenrein und kristallklar, es gibt zusätzliche Mini-Biographien und seltene Fotos, die dieses Erlebnis abrunden.

Einzeltitel:

  1. Faron Young: Stay All Night, Stay A Little Longer
  2. Faron Young & Darrell McCall: Forget The Past
  3. Faron Young: Is She All You Thought She'd Be
  4. Army Recruiting Spot
  5. The Jordanaires: Down By The Riverside
  6. Faron Young: A World So Full Of Love
  7. Faron Young: Stay

Donald Fagen

Ein Gespräch mit dem Rockmusiker Donald Fagen

Auf Soundveränderung stand Erschießen

Rockmusik als Jazz: Mit diesem Ansatz und der Fähigkeit, das moderne Studio wie ein Instrument zu behandeln, sind „Steely Dan“ berühmt geworden.

Donald Fagen ist einer der beiden Bandköpfe.

Warum haben Sie eigentlich schon 1974, zwei Jahre nach Gründung von „Steely Dan“, das Touren eingestellt?

Wir waren nur für kurze Zeit und nur ganz am Anfang das, was man eine Live-Band nennen könnte. Richtig gut kannten sich allerdings nur Walter Becker und ich. Der Rest war ein zusammengewürfelter Haufen von Leuten, die nicht wirklich zueinander passten. Dazu kamen all die anderen Probleme: Live hatte man in den siebziger Jahren immer einen fürchterlichen Sound. Dann noch diese miesen Hotels und das ewige Herumreisen – es machte einfach keinen Spaß! Deshalb haben wir das Touren aufgegeben und nur noch Platten aufgenommen . . .

. . . die sich schon bald so gut verkauften, dass Sie zu jedem Tourveranstalter hätten sagen können: Wir spielen live – aber nur zu den Bedingungen von „Steely Dan“.

Tatsächlich gab es nach „Aja“ die Überlegung, wieder auf Tour zu gehen. Als sich aber herausstellte, dass nach dieser Platte fast nur noch Studiomusiker Fans von „Steely Dan“ waren, haben wir das seinlassen. Doch im Ernst: Wir hätten bei einer Tournee wirklich draufgezahlt.

Was ist Ihre schlechteste Tour-Erinnerung?

Schwierig, weil ich mich wie so viele, die die siebziger Jahre erlebt haben, nur ziemlich schlecht an diese Zeit erinnern kann. Einmal waren wir in einem fürchterlichen Motel irgendwo in Nebraska drei Tage lang eingeschneit. Und dann gab es noch diese Heavy-Metal-Bands, für die ausgerechnet wir als Vorband spielen mussten. Das Publikum wollte richtig harten Rock – und bekam „Steely Dan“ im Vorprogramm. Kein Wunder, dass die nicht zugehört haben.

Je länger die siebziger Jahre dauerten, desto mehr verwandelte sich „Steely Dan“ in eine Studio-Band. Walter Becker und Sie waren berühmt-berüchtigt für den Perfektionismus, mit dem Sie im Studio arbeiteten. Was trieb Sie zu dieser Suche nach dem perfekten Sound, dem perfekten Album, dem perfekten Gitarrensolo?

Wenn es um den angeblichen Studiowahnsinn von „Steely Dan“ geht, wird für meinen Geschmack ganz schön übertrieben. Die Musiker kamen für ein Solo ins Studio. Manchmal war der erste Versuch perfekt, manchmal hat es eben ein bisschen Coaching von unserer Seite gebraucht, damit überhaupt klar war, was wir wollten. Was soll daran besonders sein?

Aber für „Gaucho“, das letzte Album vor Ihrer Trennung, brauchten Sie eintausend Studiostunden. Sie sollen den Toningenieur gebeten haben, Sie zu erschießen, wenn Sie auch nur noch um eine einzige Änderung bäten. Da soll kein Perfektionismus im Spiel gewesen sein?

Da wussten wir eben manchmal selbst nicht, wie ein Song genau klingen sollte. Man probiert etwas aus, und schon hat das Auswirkungen auf alles andere, was man schon auf Band zu haben glaubt. Oder der Schlagzeuger hat keinen guten Tag, und auch beim nächsten Termin bekommt er den Groove einfach nicht so hin, wie man sich das vorstellt – dann probiert man eben einen anderen aus. Kann schon sein, dass wir bei „Gaucho“ ein wenig um uns selbst kreisten. Heute ist das einfacher: Wir haben so etwas wie eine feste Band, auf die wir sowohl live wie im Studio zurückgreifen können. „Everything Must Go“– unser letztes Album – haben wir in Rekordzeit aufgenommen.

Gaucho“ war 1980 das vorläufige Ende von „Steely Dan“. Für die nächsten 13 Jahre gingen Sie und Walter Becker getrennte Wege. Bis zum nächsten Album – „Two Against Nature“ – sollte es zwanzig Jahre dauern. Sahen Sie in „Gaucho“ damals einen Triumph oder eine Niederlage?

Wir fühlten einfach nur, dass wir nichts mehr zu sagen hatten. Die Energie, die man aus seiner Jugend mitnimmt und mit der wir sieben Alben bestritten hatten, war mit „Gaucho“ komplett verbrannt. Wir brauchten auch Zeit, um erwachsen zu werden. Und dafür waren diese langweiligen, enttäuschenden achtziger Jahre genau das Richtige.

Inwiefern?

In den Vereinigten Staaten war das die Gegenbewegung zu allem, wofür die sechziger und siebziger Jahre stehen – politisch, spirituell, musikalisch. Viele meiner Generation haben diese Zeit als enttäuschenden Rückschritt empfunden. Eine gute Zeit also, um sich auszuklinken.

Über „Two Against Nature“ schrieb ein Kritiker, dieses Comeback-Album klinge so, als ob seit „Gaucho“ nicht zwanzig Jahre, sondern nur zwanzig Minuten verstrichen wären – was gleichermaßen als Kompliment wie als Vorwurf zu verstehen ist. Was sagen Sie dazu?

Das Kompliment nehme ich gerne an. Wenn es ein Vorwurf sein soll, lautet meine Entgegnung einfach nur: Du kannst mich mal.

Wenn wir es als Kompliment deuten: Wie schaffen Sie es, sich von Musiktrends so erfolgreich abzukapseln, dass 20 Jahre nur nach 20 Minuten Zeitunterschied klingen?

Ich hätte genauso sagen können, dass ich versuche, Musik nach den Regeln der fünfziger oder sechziger Jahre zu machen. Am liebsten höre ich nach wie vor den Jazz der zwanziger bis sechziger Jahre, Rhythm and Blues oder Soul. Musik, die mir nicht gefällt, geht bei mir zum einen Ohr raus wie beim anderen rein. Irgendwann Mitte der siebziger Jahre habe ich aufgehört, Popmusik zu hören.

1993 haben Sie und Walter Becker „Steely Dan“ wiederbelebt – paradoxerweise als Live-Band.

Das hat sich damals so nach und nach ergeben. Ich habe bei der „New York Rock and Soul Revue“ mitgewirkt und gleichzeitig „Kamakiriad“, mein zweites Solo-Album, herausgebracht, produziert von Walter Becker. Ich fragte Walter, ob er nicht Lust hätte, mit der Revue mit auf Tour zu gehen. Und so kam es, dass wir eines Abends auf der Bühne standen und ein paar „Steely Dan“-Songs spielten. Das Management, die Tourbedingungen, die Publikumsreaktion – alles schien zu passen. Die Konzerte machten Spaß. Rückblickend war das so etwas wie der Neuanfang von „Steely Dan“. Seitdem haben wir unsere Live-Band mit jeder neuen Tour verbessert und die genau richtigen Musiker für „Steely Dan“ gefunden.

Haben Sie die neuen Songs von „Two Against Nature“ und „Everything must go“ auch deswegen aufgenommen, weil Sie nicht als Nostalgie-Veranstaltung durch die Lande ziehen wollen?

Klar sind neue Songs wichtig. Sie sorgen dafür, dass „Steely Dan“ lebendig und neu klingen – für uns selbst, aber auch für das Publikum. Live waren allerdings auch viele unserer alten Songs auf eine bestimmte Art und Weise neu – einfach deshalb, weil wir sie in den siebziger Jahren nur im Studio aufgenommen, aber nie auf der Bühne gespielt hatten.

Wie sollen Ihre heutigen Musiker diese Songs von damals aufführen? So originalgetreu wie möglich oder mit einer gewissen interpretatorischen Freiheit?

Manchmal arrangieren wir die „Steely Dan“-Klassiker um – etwa so, dass ein Maximum an Soliermöglichkeiten entsteht. Im Grunde coachen wir unsere Musiker aber nicht – das sind exzellente Jazzer, die selbst am besten wissen, was sie tun. Unser Gitarrist Jon Herington zum Beispiel spielt die Gitarrensoli gelegentlich so, wie sie ein Larry Carlton oder Robben Ford in den Siebzigern eingespielt haben. Obwohl ich ihn immer dazu ermuntere, die alten Soli zu vergessen. Aber auf mich hört er ja nicht!

Gibt es „Steely Dan“-Klassiker, die Sie aus Ihrem Live-Programm verbannt haben?

Einige Hits wie „Rikki Don’t Lose That Number“ haben wir mittlerweile satt. Auch „Do It Again“ spielen wir eher selten. Und „Reelin’ In The Years“ ist fast jedes Mal ein Riesenproblem.

Im Internet gibt es zahlreiche Websites, die sich akribisch mit der Musik und den obskur raffinierten Songtexten von „Steely Dan“ beschäftigen. Interessiert Sie das? Haben Sie schon mal eine Website wie www.Steelydandictionary.com besucht?

Einmal habe ich mir das angeschaut, aber eigentlich interessiert mich das alles nicht.

Wie nah sind Sie ihrem Klangideal auf der aktuellen Tour?

Viel näher, als wir je zu hoffen wagten. „Steely Dan“ 2007 ist die beste Live-Band, die wir je hatten. Wer zu uns kommt, wird Spaß haben.

Das Gespräch führte Claus Lochbihler.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.07.

DAVID BOWIE

David Bowie zum Sechzigsten

Der weise Pfau

Von Dietmar Dath

08. Januar 2007 Eine Stimme, die klingt wie Papier, das gerade Feuer fängt, wirft sich ans große Nichts weg: „I'm frightened by the total goal / I'm drawing to the ragged hole / And I ain't got the power anymore / No I ain't got the power anymore.“

Das war 1971, auf der Platte „Hunky Dory“. Langhaarig, vornehm, bleich bis zur Schwindsucht, ein Chattertonianer reinsten Wassers, gab David Robert Jones, der sich seit zwei Jahren David Bowie nannte, den Lordsiegelbewahrer der décadence - eine Erscheinung, der man später mit wechselnder Bemalung und Frisur nicht nur auf Plattencovern und Konzertbühnen, sondern auch im Kino vorzugsweise als Gefäß luziferischer Inspiration und Verkörperung des absichtlich Unwahren begegnen sollte. Außerirdische, Vampire und Individuen wie Andy Warhol oder Nikola Tesla, die der Welt nicht erst abhanden kommen mussten, um komplett jenseitig zu wirken, hat er gespielt, als wären sie ungezwungen-naturalistisch aufzufassende Charaktere. Komplementär dazu schien die Figur „David Bowie“, die sich in einem Videoclip einmal als „Lord Byron“ inszenierte, eher der Literatur als der Natur entstiegen (und wurde nicht nur deshalb von Philip K. Dick, dem entrücktesten Klassiker der Sciencefiction, 1980 im Roman „Valis“ als böser Engel „Eric Lampton“ in die Dichtung heimgeholt).

Abwegige Werte und Ideen

Mit seriöser Ausgekochtheit steht Bowie seit 1969 (was davor war, schlummert harmlos in Archiven) für oft stark abwegige Werte und Ideen ein, die sich andere Popstars meistens erst viel später oder lieber nie zu berühren getraut haben: butterweiche Saxophonsoli von dürren weißen Speedfreaks, die Schönheit der West-Berliner Rußfassade als solcher (Diverses circa 1977), zu Blechgestöber zerspellter Hardrock von unterkühlten Krawattenträgern („Tin Machine“ 1989), Singer-Songwriter-Drum-And-Bass („Little Wonder“ auf „Earthling“, 1997), Britpop mit Hirn. . .

Bowies einprägsamste musikalische und schauspielerische Gesten beschwören einen abgefeimt eitlen, ausgezehrten, knochentrockenen Eros und weisen so mit aller Entschiedenheit den virilen Rock 'n 'Roll-Vitalismus zurück, der Urviecher mit Haaren auf dem Rücken und Schnaps im Bart anbetet. Trotzdem bleibt Bowie, selbst umwölkt vom Sprühnebel der Heroin-Schlaffheit seiner Spätsiebziger-Phase, stets Rock 'n 'Roller ohne Furcht und Tadel. Er war Beatnik, Glamboy, Mod; immer aber von jener zuverlässigen Halbseidenheit, die informierte Beobachter jederzeit zu durchschauen glaubten und der doch niemand je ganz auf den Grund gehen konnte, weil da, wo dieser Grund vermutet wird, kein sicherer Boden verfestigter Aussagevorhaben zu finden ist, sondern der Plan eines eminent beweglichen Verhältnisses zur gesamten übrigen Popwelt und -geschichte.

Mehrdeutig und verkopft

Beweisen konnte Bowie während rund vierzig Jahren dieser anstrengenden performance, dass das Mehrdeutige, Sekundaristische und Verkopfte in der Kunst (wenn schon nicht im Zweikampf mit Wildschweinen) jederzeit geeignet ist, das Stämmige, Robuste, Triebhafte und aus lauter Einfallslosigkeit Realistische auszustechen, zu unterlaufen und zu überleben.

Alleine geht so etwas nicht. Umringt von Guten, Bösen und Hässlichen, schuf er Wahres, Schönes und (zum Glück selten) Kunstgewerbliches: Brian Eno holte er sich für die nötige metaphysische Blasiertheit; Iggy Pop fürs gesunde Kranksein; Carlos Alomar für taubenweiße Reinheit bei der Melodieführung; Tony Visconti für Produzentenweisheit in Dosen und vierzigtausend längst vergessene Heinzelmännchen und -weibchen für dolle Ideen wie die Ausgabe von Anteilscheinen an seiner Zukunft, Tapetenmuster oder das abstruse Video zu „Day in, Day Out“ (1987), in dem es um Vergewaltigung und Rollschuhfahren in engen Hosen geht.

Eine der verkehrtesten Gedankenlosigkeiten beim Loben und Tadeln erfolgreicher Popkünstler von auch nur einiger Originalität ist die billige Rede vom Identitätenwechsel. Wenn der Antiterrorpolizist Jack Bauer sich als Frank Wurst in eine Täterzelle einschleicht oder das transgendered Männchen Tim Schulze zur flamboyanten Tina wird, liegt womöglich wirklich in juristisch, sozio- oder psychologisch fassbarem Sinn Identitätsveränderung vor. Was aber David Bowie macht, wenn er statt Ziggy Stardust lieber Aladdin Sane sein mag, nennt man Rollentausch.

Die Gewissheit der Kontinuität

Der Unterschied ist leicht zu begreifen: Wer seine Rollen in aller Öffentlichkeit häufig wechselt, befestigt beim Publikum gerade die Gewissheit der Kontinuität (und Souveränität) der Person („Das kann sich nur David Bowie / Madonna / etc. erlauben“); wer dagegen die eigene Identität verändert, also die meisten oder gar alle erprobten Anschlussstellen zwischen sich und anderen ungültig macht, beschädigt diese Gewissheit mit vollem Risiko - nicht nur bei Fremdbeobachtern, sondern auch bei sich selbst.

Die folgenreichste Selbstumdeutung, die sich David Bowie hat einfallen lassen, war (und bleibt) allerdings genau deshalb interessant, weil sie den Rollentausch, den er bis heute übt, zumindest ein einziges Mal bis an die Grenze der Identitätsüberdehnung führte: Am 22. Januar 1972 erschien das britische Musikblatt „Melody Maker“ mit einem Bowie-Interview, das den schlichten Satz enthielt: „I'm gay and I always have been, even when I was David Jones.“ Die Auskunft, dass Bowie schwul sei, wurde bald als Bekenntnis der „Bisexualität“ variiert - diese Variante lässt sich sowohl als clevere Verwässerung der ursprünglichen Behauptung wie als radikalisierende Zuspitzung der Verweigerung heterosexueller Eindeutigkeit lesen (heute steht für diese zweite Option der nützlichere Ausdruck queer zur Verfügung).

Maßloser Narzissmus

Bowies Ex-Frau Angela hat vermutlich ganz recht, wenn sie in ihren 1993 erschienenen Schmuddelmemoiren „Backstage Passes“ den Bowie jener Zeit als berechnenden, vom Ehrgeiz zerfressenen Image-Instrumentalisten schildert, den sowohl greuliche Selbstzweifelattacken wie maßloser Narzissmus umtrieben. Auf solche Leute ist Kunst angewiesen - was ein in sich ruhender, über seine Beweggründe restlos aufgeklärter Mensch so zusammenträumt, kann man vielleicht mögen; aber es züngelt, glüht und funkelt nicht.

Bowies sexy giftige Selbstbesessenheit dagegen hat ihm, weil er ihr nachgegangen ist bis in die noble Leere elektroakustischer Wummermusik (am besten auf „Low“ 1977), etwas wie eine höhere Selbstlosigkeit beschert - anstatt über sein Werk zu verfügen, hat er sich davon in lauter Einzelteile, phantastische Textzeilen, unvergessliche Bilder zerlegen lassen; was als smarte Strategie begann, wurde Weisheit. Heute wird dieses wunderschöne Monster sechzig Jahre alt.

Text: F.A.Z., 08.01.2007, Nr. 6 / Seite 31

Marianne Faithfull

Marianne Faithfull

Die gebrochene Englische

Von Edo Reents

29. Dezember 2006 Die im Zusammenhang mit ihr am häufigsten verwendeten Ausdrücke sind „Muse“, „Traumpaar“ und „Comeback“. In ihrer Klischeehaftigkeit sind sie natürlich längst zu Tode geritten - das haben sie der Sängerin, die damit seit mehr als vierzig Jahren bedacht wird, voraus: An Marianne Faithfull kann man studieren, was Überleben heißt. Und doch umreißen die Ausdrücke recht genau, worum es in ihrem Leben geht.
Wer ein Comeback feiert, aber mit dem Begriff nicht einverstanden ist, sagt in der Regel: „Wieso Comeback? Ich war doch nie weg!“ Marianne Faithfull hält es umgekehrt: „Ich hasse das Wort. Ich hatte so viele angebliche Comebacks, dabei war ich doch eigentlich nie richtig da.“ Wenn eine immerhin weltberühmte Sängerin so etwas von sich behauptet, dann ist das entweder Koketterie - die man ihr nicht zu unterstellen braucht -, oder es ist die traurige Einsicht in die Tatsache, daß ihre Karriere noch von etwas anderem als Talent - das man ihr unterstellen sollte - bestimmt wurde.

Das böse Rockjahr 1969

Es muß eine aufregende, schlimme, böse Szene gewesen sein, als Marianne Faithfull 1964 in der Stadt, die „Swingin' London“ hieß, Andrew Loog Oldham begegnete, jenem so aufschneiderischen wie rücksichtslosen Manager, der sie seinen Schützlingen vorstellte. Und das muß ein noch aufregenderer, schlimmerer, böserer Moment gewesen sein - sofort warfen Mick Jagger, Keith Richards und Brian Jones ihre, anders wird es kaum gewesen sein: geilen Augen auf die gerade Siebzehnjährige und wandten sie erst wieder ab, als Marianne Faithfull ruiniert war, gesundheitlich wie finanziell. Das war dann im bösen Rockjahr 1969, in dem Brian Jones starb und der Horror von Altamont losbrach.
Was dazwischenlag, ist ebenfalls bekannt: der Welthit „As Tears Go By“, den ihr Jagger/Richards auf den Klosterschülerinnenleib geschrieben hatten und den sie mit seltsam unberührter, mädchenklarer Stimme zum besten gab. Es folgten weitere Hits wie „Come and Stay With Me“ und „This Little Bird“, die den folgenden Fall dieses „Engels mit Titten“, wie Oldham sie boshaft genannt hatte, nur um so tiefer erscheinen ließen. Das neue Jahrzehnt hielt eine veritable Obdachlosenexistenz, immer noch in London, für sie bereit; das Sorgerecht für ihren 1965 geborenen Sohn (ein Rolling Stone war nachweislich nicht der Vater) wurde ihr entzogen.

Völlig rauchig gewordener Gesang

Aber dann, nach der bereits recht schönen Countrypop-Platte „Dreamin' My Dreams“ mit der von Waylon Jennings geschriebenen Titelnummer (1976), kam im Spätherbst 1979 ihre gültigste Rückmeldung: „Broken English“, diese bittere, wunderbare Platte war weniger ein Comeback als vielmehr ein Hilfeschrei mit exakt zehn Jahren Verspätung. (Ich weiß noch genau, als der Shel-Silverstein-Song „The Ballad of Lucy Jordan“ aus meinem Saba-Radiorekorder kam: das traurig wimmernde Keyboard, und ich hätte jede Wette gehalten, daß sich hier eine schwarze Sängerin die Reste ihrer Seele aus dem entweihten Leib wringt. Es ist bis heute ihr bestes Lied, so melodramatisch und zu Herzen gehend wie ein Film von Douglas Sirk.)
Auch das übrige Material war in der seltsam aseptischen Bearbeitung und mit dem nunmehr völlig rauchig gewordenen Gesang so überraschend und qualitätsvoll, daß „Broken English“ für immer eine der großen Frauenrockplatten bleiben wird: das Titelstück, das die Baader-Meinhof-Terroristen bedachte, die schmerzliche Anklage „Why'd Ya Do It“ und Lennons „Working Class Hero“.

Nie über ihr Dasein als Mick Jaggers Muse beklagt

Zur Arbeiterklasse hatte sie selber nie gehört. Die als Tochter eines Offiziers (andere sagen: Literaturprofessors) und einer österreichischen, der Sacher-Masoch-Familie entstammenden Adeligen im vornehmen Londoner Stadtteil Hampstead Geborene verkörperte vielmehr auf fast schon bemitleidenswert perfekte Weise die Dekadenz und Haltlosigkeit einer auf Hedonismus getrimmten Ära, und es war einfach Pech, daß sie an misogyne Genies geriet, bei denen der Überlebenswille am Ende doch stärker war als der Geschlechtstrieb.
Es spricht dabei für ihren Stil, daß sie sich über ihr Dasein als Mick Jaggers Muse öffentlich nie beklagt hat. Und sowieso: Was wäre ohne diese Bekanntschaften aus ihr geworden? Wegen ihrer späteren, alles andere als unpassenden Brecht/Weill-Songs, ihrer gewiß nicht abwegigen Ambitionen, die „Marlene Dietrich des Rock“ zu werden, und wegen der mit Hilfe jüngerer Musikprominenz vollzogenen, respektable Ergebnisse abwerfenden musikalischen Frischzellenkuren allein würde man sie an diesem Freitag, an dem Marianne Faithfull sechzig Jahre alt wird, nicht ganz so triftig zu beglückwünschen haben. Wer spricht, fragt Rilke, von Siegen? Überstehen ist alles.

Text: F.A.Z., 29.12.2006, Nr. 302 / Seite 31

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Keith Jarrett

Das Raubtier nähert sich der Beute Sternstunde: Keith Jarretts virtuoser Auftritt in der Alten Oper Frankfurt

Nun verzeichnet die Topographie seiner Solo-Auftritte auch Frankfurt am Main. Keith Jarrett, der Praeceptor Musicae, dessen Konzerte von seinen Anhängern wie Epiphanien gefeiert werden, hat seine monomanischen Improvisationsabende, die ihm für alle Zeiten einen Platz in den Annalen sichern, im Jahr 1973 in Bremen begonnen. Seitdem lässt sich seine einzigartige Karriere, ähnlich der eines großen Feldherrn, auch an den Städten ablesen, die er seiner Ästhetik unterworfen hat: Lausanne, Köln, Kyoto nebst ein paar anderen japanischen Großstädten, Bregenz, München, Paris, Wien, Mailand, New York. Jetzt also Frankfurt.
Zu Beginn mag es eher Zufall gewesen sein, welcher Ort in die Gunst seiner solistischen Kunst kam. Und die Kölner Oper, in der im Januar 1975 jener legendäre Mitschnitt gemacht wurde, der als „The Köln Concert“ zu den erfolgreichsten Veröffentlichungen in der neunzigjährigen Geschichte von Jazzaufnahmen gehört, würde heute mit einem solch erbarmungswürdigen, erst nachträglich im Studio von allen Intonationstrübungen und Nebengeräuschen befreiten Flügel kaum mehr das Wohlgefallen des Meisters erregen. Aber schon seit den „Sun Bear Concerts“ dosiert Keith Jarrett seine Solokonzerte und wählt die Orte seiner Bühnenpräsenz so sorgfältig wie ein Architekt den Untergrund für einen Wolkenkratzer. Frankfurt konnte sich somit geehrt fühlen, und es war den bisweilen skurrilen, nahe an Hysterie grenzenden Phobien des Künstlers – man kennt mittlerweile seine Ausfälle gegen Fotografen und notorische Huster – vollkommen gewachsen. Ob Jarrett auch seinem Publikum gewachsen war – dazu später mehr.
Fast vierzig Jahre freie Improvisationen, Musik aus dem Nichts, wie Jarrett selbst das nennt – was hat sich dabei verändert? Wenn man an die ausschweifenden Rhapsodien vom Kölner Konzert oder auch von den Auftritten in Paris und Wien denkt, dann wirken heute viele seiner Improvisationen und Stegreifkompositionen geradezu wie Bagatellen. Bagatellen freilich im Sinne Beethovens nicht als Nebensächlichkeiten verstanden, sondern als konzentrierte Charakterstücke. Auf der in Osaka aufgenommenen Einspielung unter dem Titel „Radiance“ hat er das in Vollendung exerziert. Es sind Miniaturen von einer musikalisch-gedanklichen Dichte, die schier den Atem stocken lassen. Für das, was dieser Mann in zwei Minuten am Flügel erzählt oder auch verschweigt, dabei aber stets durchschimmern lässt, benötigen andere Pianisten das Format ganzer Bildungsromane.
Auch Jarretts Frankfurter Konzert, seit Monaten ausverkauft und wie ein gesellschaftliches Ereignis höchsten Ranges herbeigefiebert, war – vor allem nach der Pause und bei den generös gewährten Zugaben – randvoll mit solch geschliffenen Preziosen der Klavierkunst. Als wolle er vor Debussy den Hut ziehen, begann Jarrett das Konzert mit einer vorüberhuschenden Fantasie, die sich mehr an Ganztonskalen als an verminderten Quinten zu orientieren schien. Und schon hier wirkte er nicht so sehr wie ein Pianist auf der Suche nach dem rechten Ton, viel eher wie ein Raubtier, das sich seiner Beute nähert.
Keith Jarrett hat den Flügel nie als ein Instrument betrachtet, dessen Funktionen und Klangeigenschaften man mit entsprechender Technik ausschöpfen kann. Für ihn war das Instrument ein Gegner, den man bezwingen musste, bisweilen mit List und Tücke, bisweilen mit tänzerischem Ablenkungsmanöver, manchmal mit brachialer Gewalt, nicht selten aber, indem man sich das Instrument buchstäblich einverleibt hat. Gelegentlich erschien es wie das Spiel zwischen Katz und Maus, wobei immer außer Frage stand, wem hier welcher Part zugesprochen wurde. In den besten, fast möchte man sagen: den magischen Momenten aber verschwanden die Barrieren, waren die Tasten mit dem Spiel der Finger eins, und es entstand – man verzeihe das Pathos – eine Musik, so schlackenlos und formvollendet, eben so ideal, wie Plato sie sich vorgestellt haben könnte.
Ein solcher Moment war in der Alten Oper Frankfurt etwa im ersten Stück nach der Pause erreicht, über dessen Rhythmus aus Spanish Harlem sich ein wahrer Zaubergarten an Fiorituren und Modulationen ausbreitete. Oder in der ersten Zugabe, einem traditionellen Blues, von dem sich keiner der altehrwürdigen Veteranen aus dem Delta oder aus Chicago je hätte träumen lassen, was er an technischer Brillanz, harmonischer Erweiterung und spielerischer Virtuosität verträgt, ohne an Charakter einzubüßen. Am besten ist Keith Jarrett, dieser Schamane am Klavier, aber immer dann, wenn er seine überschäumende Phantasie selbst zügelt und – wie im zweiten Stück nach der Pause – über einem Bassriff schier endlose und zugleich minimale melodische Variationen entwickelt, als werde hier ein Arbeitslied im Rhythmus einer Chaingang abgeschliffen und je nach Stimmung zurechtgesungen.
Auch im ersten Teil des denkwürdigen Frankfurter Konzerts gab es solche lichten Momente, waghalsiges Improvisieren, abenteuerliche Tonartenwechsel, vierstimmige Jazz-Sätze, volksliedhafte Schlichtheit mit einem interessiert um die Eckpfeiler der Bluenotes und Offbeats schauenden Erik Satie. Aber auch ein-, zweimal uninspiriertes Stochern auf den Klaviertasten, das der übersensible Jarrett einem einzigen in die Stille des Saales platzenden Huster anlastete und zum Anlass für eine Lehrstunde über die wahre Art des Verhaltens bei Klavierabenden nahm. Ungerechterweise. Denn ein disziplinierteres Publikum als das in Frankfurt, das sich vor lauter Respekt dem Künstler gegenüber zunächst sogar den spontanen Applaus versagte, dürfte er so schnell nicht wieder finden. Jarrett sollte sich vielleicht selbst an sein Konzert in der Pariser Salle Pleyel vor zwei Jahren erinnern, das im chaotischen Blitzlichtgewitter von Hunderten von Handys unterging. Frankfurts Alte Oper hat ein bemerkenswertes Konzert erlebt und einem genialen Musiker den verdienten frenetischen Applaus beschert. Es hätte eine noch glänzendere musikalische Sternstunde werden können, wenn Jarrett dem Publikum den gleichen Respekt gezollt hätte.

WOLFGANG SANDNER
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.10.2007 Seite 39

Dienstag, 9. Oktober 2007

Plattenspieler - Ein Leben für den anaologen Klang

Plattenspieler
Ein Leben für den analogen Klang
Von Gerold Lingnau


Präzision der Feinmechanik: Tangential-Tonarm TT I für Statement-Laufwerke
06. Oktober 2007 Welchen Tonträger wird es auch in hundert Jahren noch geben? Nein, nicht die CD, auch wenn sie heute milliardenfach verbreitet ist. Sie wird den Weg der Kompakt-Kassette, des DAT, der DCC und der Mini-Disc gehen - in die Vergessenheit. Alle diese Formate werden 2107 ebenso obsolet sein wie die Abspielgeräte verloren. Aber die Schallplatte wird überlebt haben, jenes schwarze Ding mit Rillen, das man schon im Aussterben wähnte und das sich zu neuem Ansehen hochgerappelt hat. Aus Schellack ist sie heuer schon 110, aus Vinyl als Langspielplatte immerhin 60 Jahre alt. Sie wird viele weitere Archiv-Jahrzehnte unbeschadet überstehen und noch spielbereit sein, wenn die letzte CD im Müll gelandet ist.
Mit dieser Zuversicht rennt man bei Peter Suchy weit offene Türen ein. Die analoge Schallplatte ist das Medium seines Lebens: Er glaubt an sie und hat mehr für sie getan, als es manchem großen Konzern in seiner besten Zeit nachgesagt werden konnte. Nicht nur, dass er zur Weltspitze der verbliebenen Hersteller von Laufwerken, Tonarmen und Tonabnehmern für Schallplatten gehört. Er kümmert sich auch um erstklassigen Nachschub an schwarzen Scheiben. Das 1978 von ihm gegründete Unternehmen Clearaudio in Erlangen ist der Angelpunkt seiner Aktivitäten. Die Lage außerhalb der Stadt, mitten im Grünen in einer ehemaligen Siemens-Betriebsstätte, darf nicht dazu verleiten, hier einen Hinterwäldler zu vermuten. 44 Beschäftigte arbeiten mit erfahrenen Händen und einem hochmodernen Maschinenpark für Suchy; das ist in High-End-Verhältnissen, wo kleine Manufakturen das Bild bestimmen, schon eine Großfabrikation. Aber Heuschrecken, die immer mal anfragen, haben keine Chance. Drei Kinder des Patrons, darunter eine Tochter, sind schon leitend im Unternehmen tätig, ergänzen sich nach Neigung und Ausbildung und vertragen sich sogar - der Traum vieler Mittelständler ist hier in Erfüllung gegangen.
Feingefühl und ein scharfes Auge

Mit Liebe: Statement-Detail
Trotz erfolgreicher Nachfolgeregelung legt Peter Suchy die Hände natürlich nicht in den Schoß. Er sieht sich weiter als Vordenker des Unternehmens, das neben Plattenspielern und ihren Komponenten auch Elektronik wie Verstärker, Netzkonditionierer und -filter, Zubehör sowie als Spezialität Schallplatten-Waschmaschinen und ein Gerät zum Planieren verwellter LPs herstellt. Der Clearaudio-Gründer kommt aus der Kerntechnik: Da sind ihm Mikrostrukturen ebenso vertraut wie kleinste Fertigungstoleranzen. Gute Voraussetzungen, um Erfolg in der letzten Bastion der Mechanik in der Unterhaltungselektronik zu haben, dort, wo es nicht ums beste Design von integrierten Schaltkreisen geht, sondern um minimale Lagerreibung, hochpräzise Rotationsgeschwindigkeit, wirksame Schwingungsdämpfung und optimalen Nadelschliff, dazu um Feingefühl und ein scharfes Auge - und ein ebenso vifes Ohr, wenn dann das Ergebnis beurteilt werden soll.
Drei wichtige Innovationen hat Peter Suchy zur Plattenspielertechnik und zum Erfolg von Clearaudio beigetragen. Da ist zum Ersten eine mechanisch, elektrisch und magnetisch absolut symmetrische Variante des Tonabnehmers in Moving-Coil-(MC-)Bauweise mit einem Wirkungsgrad, der um 30 Prozent besser ist als sonst üblich. Da ist als Zweites ein Tangential-Tonarm - mit ihm bleibt beim Abspielen der Winkel zwischen Nadel und Plattenrille über den gesamten Umfang der LP konstant -, der mit Hilfe von zwei Kugellagern den Abtastvorgang selbsttätig regelt. Und da ist drittens ein Phono-Vorverstärker mit optionaler Stromversorgung über Nickel-Metallhydrid-Akkus, der die zarten Signale von MC-Systemen besonders schonend für die folgenden Verstärkerstufen aufbereitet. Man sieht schon: Hier geht es längst nicht mehr um Basistechnik, sondern um High-Tech-Details. Dass dies alles aber L'art pour l'art sei, würde Suchy niemals gelten lassen. Letztlich entscheide das unbestechliche Ohr des Hörers über Maß und Nutzen solchen Fortschritts - und dem stelle man sich gern.
Nicht ganz günstig

Günstig für Einsteiger: Performance-Laufwerk für rund 2.000 Euro.
Unter vielen High-End-Beflissenen gilt die Vinylplatte gegenüber der CD als das schöner klingende und emotional ansprechendere Medium, gekonnte Aufnahmen und gute Wiedergabegeräte vorausgesetzt. Da ist kaum Platz für ganz Billiges, und obwohl Clearaudio Angebote in einer großen Preisspanne bereithält, muss selbst der Einsteiger schon ein wenig tiefer in die Tasche greifen. Für ihn sind eher komplett ausgerüstete Plattenspieler - „Laufwerks-Pakete“ - gedacht, die in Erlangen schon ab rund 1.000 Euro offeriert werden. Käufer mit höheren Weihen stellen sich ihr Gerät ebenso aus Einzelkomponenten zusammen, wie sie es bei einem wertvollen Fahrrad tun würden. Dann kostet schon das Laufwerk mindestens so viel wie das Anfänger-Paket, und nach oben hin sind kaum Grenzen gesetzt - allenfalls beim 350-Kilogramm-Boliden Statement für 75.000 Euro. Bei Tonarmen reicht das Preisgefüge von 570 bis fast 16.000 Euro (viele Laufwerke werden gleich mit mehreren davon bestückt), bei Tonabnehmern von 150 bis knapp 8.000 Euro.
Die Gemeinde, die solchen Aufwand treiben kann, ist denn auch auf der ganzen Welt verstreut - kein Wunder, dass der Exportanteil von Clearaudio bei 85 Prozent liegt und kein Land exotisch genug ist, um nicht auf einem Lieferschein aufzutauchen. Machen wir doch einfach die Hör-probe aufs Exempel. Peter Suchy weiß schon, wie: mit dem Laufwerkspaket Performance Black Pearl, bestückt mit dem Carbon-Tonarm Satisfy und dem Moving-Magnet-Abtaster Maestro Wood, alles zusammen für 2.000 Euro. Dieses Ensemble wurde gerade von der Londoner Sonntagszeitung „Mail on Sunday“ in einem seriösen Vergleichstest mit dem Titel „Best Buy“ ausgezeichnet - „zehn Millionen Leser“, freut sich der Prinzipal.
Edle Verarbeitung

Nur das Beste: Statement-Laufwerk, 350 Kilogramm, 75.000 Euro.
Die Erscheinung des Performance ist konventionell, der aus Schwingungsgründen abseits stehende Antriebsmotor mit Riemenübertragung auf dem Stand der Technik, die Verarbeitung erwartungsgemäß makellos. Doch die Finesse steckt im Detail. Der Acrylglas-Plattenteller dreht sich in einer Achse aus Keramik, sein Gewicht wird berührungsfrei von einem kräftigen Feld zwischen zwei Neodym-Magneten getragen. Die Zarge, die Basisplatte, ist ein steifer und gewichtiger Sandwich aus Aluminium und Acrylglas. Steif, aber leicht ist der Tonarm; die Lager seiner kardanischen Aufhängung würden auch ein teureres Angebot zieren. In seinem Inneren führt er die Kabel ohne Unterbrechung vom Abtaster bis zu den Ausgangsbuchsen. Der Tonabnehmer mit Holzkorpus und Diamantnadel kostet einzeln schon 625 Euro und ist technisch ebenfalls eng verwandt mit noch aufwendigeren Alternativen im Clearaudio-Programm. Sagt da noch einer etwas gegen den Paketpreis!
Aber lassen wir doch einfach den Performance selber sprechen - oder singen, zum Beispiel mit der Stimme von Fritz Wunderlich auf der von Clearaudio zusammen mit der Deutschen Grammophon neu aufgelegten Aufnahme von Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Der Zauber dieser vierzig Jahre alten Aufzeichnung erschließt sich dank Peter Suchys Arbeit ganz neu: Wie leibhaftig und lebhaft ist der Ausnahme-Tenor präsent; Hubert Giesens Klavierbegleitung füllt den Raum mit Verve und Delikatesse. Rund und warm und gar nicht nostalgisch ist der Klang, präzise kommen Artikulation und Anschlag. Die Musik drängt die Technik von Anfang an in den Hintergrund - und wäre doch nicht möglich ohne sie. Was macht es da schon aus, dass der CD-Verwöhnte zweimal aufstehen und die Scheibe umwenden muss? Peter Suchy lächelt. Gewiss, die Schallplatte ist unbequem zu handhaben, rauscht ein wenig, knackt manchmal und fasst allenfalls eine halbe Stunde Musik pro Seite. Aber was ist das gegen ihre Unsterblichkeit? Klang ist immer analog, resümiert er, also ist die Analog-Schallplatte das berufene Medium am Anfang der Wiedergabekette, klanglich garantiert unlimitiert und unkomprimiert. Sie ist es wert, ihr ein Lebenswerk zu widmen.


Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30.09.2007, Nr. 39 / Seite V16

Sonntag, 7. Oktober 2007

Paul Weller im Konzert

Schmetterlinge im Suchscheinwerfer

Ein Mod im Manne: Der Britpop-Urahn Paul Weller mit einem Akustik-Programm in Köln

Im Foyer des Kölner Theaters am Tanzbrunnen tummeln sich drei Generationen Britpop und trinken Bier. Mancher hier hat den weiten Weg vom Mod zum Mann gemacht, weitaus mehr sind vermutlich erst als Mann zum Mod geworden. Einige tragen interessante Varianten des Wellerschen Fransenteppichs auf dem Kopf spazieren, und wer keine Haare mehr hat, hüllt sich zumindest in Fred Perry. Dazwischen stehen nachgerückte Jungfans, nicht weniger ergeben.
Man muss sich das wirklich noch einmal klarmachen: Der Mann, der heute hier spielt, hat mindestens 9,7 Prozent der britischen Popkultur erfunden, er ist aber auch der Pate jenes Wildlederschuh-Rockpops, den „Oasis“ in den späten Neunzigern so begnadet bräsig gegen die Wand gefahren haben. Es hat Weller nicht geschadet: Auch die wibbeligen „Arctic Monkeys“ beziehen sich auf ihn; man kann den silberhaarigen Vieltrinker, fünffachen Familienvater, herzlichen Schnöselpöbel und – ja, doch – „Modfather“ einfach nicht wegblenden, wenn man im englischen Pop-Omnibus mitfahren möchte.
Anfangs ein zorniger junger Beatle des Punk, ist Weller mit zunehmendem Alter immer mehr zu einem romantischen Proll im teuren Zwirn geworden. Er hängt viel mit Noel Gallagher rum und zieht nach zwölf Bier in einem Londoner Pub auch gerne schon mal über Bono her: Paul Weller, so viel steht fest, ist ein toller Typ. Und er hat einen Songkatalog angehäuft, der von ihm ähnlich jovial verwaltet wird, wie man es von Bob Dylan oder Neil Young kennt.
Weller-Konzerte sind Gottesdienste. Erst recht, wenn der Mann quasiakustisch auftritt und Nähe antäuscht. Entsprechend bietet sich im bestuhlten Tanzbrunnentheater ein lustiges Bild: Hunderte Britpopper in Abonnententheaterstühle gequetscht, unsicher umherguckend, ob sie auch die richtigen Plätze erwischt haben. Als Weller in schlichtem Schwarz um kurz nach neun mit seinem Adjutanten, dem Gitarristen Steve Cradock, die Bühne betritt, können sich etliche seiner Jünger schon nicht mehr auf den Sitzen halten. Beide Arme in die Luft gestreckt, stehen sie einfach nur da und starren Weller verklärt an. Der lässt sich nicht beeindrucken und singt sich erst einmal ein paar Songs lang warm.
Doch schnell wird klar: Diese Akustik-Versionen sind kein fader Aufguss. Im Gegenteil: Die vereinfachten Arrangements kitzeln neue Nuancen aus vielen Songs heraus, und Weller hat eine gute Auswahl getroffen. Neben einigen späten Solo-Songs (das brausende „All On a Misty Morning“, das geläutert swingende „I Wanna Make It Alright“) gibt es einige Kapriolen aus „The Jam“-Tagen: die alte B-Seite „The Butterfly Collector“ etwa, ein liedgewordenes Spinnennetz, das perfekt in die gegenwärtige Begeisterung für psychedelisierten Folk passt, und „Liza Radley“ – ein wunderschönes von Syd Barrett inspiriertes Lied über das Nichtdazugehörenwollen als Dazugehören.
Manches hier klingt, als ließe Douglas Sirk seine Filme am Sonntagnachmittag von einer Kindertheatergruppe wiederaufführen. Die Fans wissen es zu schätzen: Immer wieder werden überschwappende Bierbecher aus den Sitzreihen emporgereckt, immer wieder springen Menschen auf: Der gediegene Rahmen macht die Begeisterung noch anrührender.
Es wäre alles nur halb so famos, wenn die spaßige Denkmalsbejubelung nicht durch das Bühnentreiben gerechtfertigt würde. Aber was Weller und Cradock da oben bieten, ist sagenhaft präzise, oft wunderschön und teilweise atemberaubend. Cradock, seit Jahren Wellers Sidekick, ist für diesen Anlass der perfekte zweite Mann: Häufig als Britrock-Soldat geschmäht, tupft er den Songs hier wunderschöne Farbsprenkel auf und ersetzt auch schon einmal ein ganzes Streicherensemble. Bei der ersten Zugabe „Wild Wood“ sitzt dann niemand mehr, die Menschen drängen sich dicht vor der Bühne, und Weller kann sich jetzt aus der Nähe Nachbauten seiner Frisur anschauen. Nach anderthalb Stunden schlurft Weller mit Zigarette im Mund und wehenden Fransen – den getreuen Cradock untergehakt – von der Bühne. Die beiden haben soeben ein denkwürdiges Konzert gegeben. Backstage wartet das Bier.


Eric Pfeil

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.09.2007 Seite 40

Livekonzerte - ökonomische Bedeutung

Lebenslänglich: Zum Auftakt der Berliner Popkomm zerstört eine Studie den Mythos von der Jugendlichkeit der Rockmusik

Wenn Popmusik, wie Hegel einst schrieb, das sinnliche Scheinen einer dummen Idee ist, dann überrascht es nicht, dass uns dabei oft ein X für ein U vorgemacht wird: Pop als Inbegriff und angemessen lauter Ausdruck von Jugendlichkeit. Wie sich heute zeigt, ist das ein großer Bluff. Als in Großbritannien in diesem Frühjahr die Greisenband „The Zimmers“ mit einem neunzigjährigen Sänger „My Generation“ von „The Who“ coverte, da konnte man das noch für eine Kuriosität halten – schließlich lösten zeitgleich die Teenager von „Tokio Hotel“ bei Schülern im benachbarten Ausland einen Boom der deutschen Sprache aus. Doch das bleiben Randerscheinungen: Die Popbranche ist heute insgesamt genauso betagt wie jede andere Kulturindustrie auch.
Anlässlich der Musikmesse Popkomm in Berlin wurde gerade eine Studie des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft vorgestellt, die unsere Vorstellungen von Pop als Jugendbewegung als Mythos entlarvt. Der ist für das Marketing freilich so nützlich wie die Assoziation von schnellen Autos mit schönen Frauen. Vordergründig wird bestätigt, was man längst wusste: dass Konzerte als Wirtschaftsfaktor den Tonträgern den Rang abgelaufen haben. Während die Plattenbranche durch illegale Downloads und Raubkopien einen langsamen Tod stirbt, steigt der Umsatz mit Livemusik seit Jahren kontinuierlich an. Mit Musikevents wurden in Deutschland im ersten Halbjahr 2007 knapp 1,5 Milliarden Euro umgesetzt, mit Tonträgern (einschließlich legaler Downloads) gerade einmal die Hälfte davon. Zum Vergleich: Die gesamten Kinoumsätze summieren sich auf 360 Millionen Euro, also etwa ein Viertel.
Das ist kaum überraschend. Musik ist überall umsonst zu haben; für das in seiner auratischen Qualität technisch nicht reproduzierbare Liveerlebnis inklusive Leber- und Hörschäden greift man umso tiefer in die Tasche. Die Reunion- und Comeback-Welle dieses Popjahres, die in den meisten Fällen, etwa bei „The Police“, ohne einen einzigen neuen Song auskommt, folgt merkantilem Kalkül. Dagegen ist nichts zu sagen; wenn man damit nicht irgendwie noch Geld verdienen könnte, wäre Pop bald ein abgeschlossenes Sammelgebiet.
Der Teufel der Studie steckt im Detail, etwa in der Verteilung der Musiksparten in den jeweiligen Altersgruppen: Für Konzerte deutsch- und fremdsprachiger Popmusiker geben die Dreißig- bis Fünfzigjährigen das meiste Geld aus – noch mehr hat man nur für Musicals übrig. Und selbst bei denen zwischen fünfzig und sechzig liegen Popkonzerte mit Opernbesuchen und Klassik-Konzerten immer noch gleichauf. Noch deutlicher sind die Resultate bei der Altersstruktur einzelner Musikrichtungen: So liegt das Durchschnittsalter selbst für vermeintlich ganz junge Stile wie Hip-Hop, Alternative Rock oder House bei Ende zwanzig; immerhin noch ein Viertel aller Besucher von Hardrock-Konzerten ist älter als vierzig. Es gehen insgesamt ebenso viele Menschen über vierzig auf Rockkonzerte wie solche unter dreißig, sogar jeder fünfte Besucher eines deutschsprachigen Popkonzerts ist über fünfzig. Für Pop ist es also nie zu spät: Er ist kein Jugendstil, sondern eine nicht eben gesunde Lebensbeschäftigung, die beim raschen und vorzeitigen Altern behilflich sein kann.

Richard Kämmerlings

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.09.2007 Seite 44

RESTEK DVB-S-TUNER

Eine Idee für ein nicht ganz preisgünstiges Weihnachtsgeschenk

High-End-Radio aus dem Orbit Ein Tuner von Restek für den digitalen Satellitenempfang / Elektronische Edelware zur hochwertigen HiFi-Anlage

In feinsten HiFi-Anlagen von anno dazumal gehörte der Radio-Tuner zu den wichtigsten Bausteinen. Audiophile diskutierten in den einschlägigen Fachmagazinen seitenlang über den optimalen Kompromiss zwischen wünschenswerter Trennschärfe und verzerrungsarmem Wohlklang, Konstrukteurs-Koryphäen wie der UKW-Papst Reinhard Wieschhoff van Rijn genossen Kultstatus.
Heute hat das Radiohören etwas vergleichsweise Profanes; wir tun es im Auto, in der Küche und sogar unter der Dusche. Aber zum genussvollen Lauschen greifen wir doch lieber zum Tonträger. Schade eigentlich – und seit zwei Jahren auch gar nicht mehr gerechtfertigt: Im September 2005 stellte die ARD sämtliche Hörfunksender in digitale Kanäle der Satellitenflotte Astra; seither melden sich all diese Stationen mit bis zu 320 Kilobit je Sekunde nach dem Übertragungsstandard DVB-S aus dem Orbit, nach derselben Übertragungsnorm also, die uns auch die digitalen Fernsehprogramme ins Wohnzimmer bringt. Damit erreichen die Radioprogramme eine Qualität, die sich nicht länger hinter den Klängen der CD verstecken muss. Mehr noch: der WDR und der Bayerische Rundfunk übertragen regelmäßig ihre klassischen Konzert-Highlights im 5.1-Mehrkanalton Dolby Digital. Wer mag, holt sich damit über die Heimkino-Anlage buchstäblich die Konzertarena oder das Aufnahmestudio in die eigenen vier Wände. Und weil ganz Europa mittlerweile die DVB-Kanäle für den Hörfunk nutzt, tummeln sich dort Hunderte Radiostationen jeglicher Provenienz.
Bisher allerdings mussten Radio-Genießer eine der Großserien-Settop-Boxen für digitales Fernsehen als Radio-Empfangsbaustein nutzen – keine ideale Lösung für HiFi-Gourmets. Denn den preisgünstigen Digitalschachteln für Bild und Ton fehlt nicht nur der seriöse Auftritt, den die Gesellschaft hochklassiger HiFi-Komponenten eigentlich verlangt, sondern ihnen fehlen auch jene Zutaten, mit denen sich High-End-Geräte von Alltags-HiFi akustisch absetzen.
Was also liegt da näher, als endlich einmal einen Satellitentuner zu bauen, der sich nur um hehre Klänge kümmert – dies aber mit einer Akribie, die jedes HiFi-Ensemble adelt? Nicht nur wir haben uns diese Frage immer wieder gestellt; auch Burckhardt Schwäbe tat es, Insidern noch bekannt als Inspirator der HiFi-Baureihe Fine Arts von Grundig. Einen passenden Partner fand Schwäbe schließlich in Adrianus Elschot, Chef der hessischen High-End-Schmiede Restek.
Der ließ seine Ingeniere sofort auf das Projekt los, und nach gerade einmal einem halben Jahr Entwicklungszeit präsentierten die Herren einen auf den Namen Mini Sat getauften Tuner, der mit dicker Frontplatte und einem Einsatzgewicht von fast vier Kilogramm signalisiert: Hier tritt elektronische Edelware an. Besonders schwer wiegt in dem zierlichen Baustein der kräftige Ringkern-Transformator. Der sorgt nicht nur für reichliche Stromreserven für die in dieser Hinsicht anspruchsvollen analogen Ausgangsstufen; er arbeitet auch mit geringeren Stör-Emissionen als die winzigen Trafos in den leichteren, modernen Schaltnetzteilen.
Ein weiteres wichtiges Konstruktionsdetail: Spezielle Baugruppen sorgen für eine galvanische Trennung der Satelliten-Eingangsstufe vom Rest der Signalverarbeitung. So vermeidet der Tuner lästige Brummstörungen, die bei einfachen Geräten immer dann auftreten, wenn es zwischen Empfänger und Antennenanlage elektrische Potentialunterschiede gibt – durchaus kein seltenes Phänomen.
Fortgeschrittene Digital-Adepten dürften sich noch für eine weitere Besonderheit erwärmen: Die Audio-Signalverarbeitung des Restek-Tuners erlaubt das sogenannte Upskaling: Wer mag, kann das Bitraster des Tons nahezu beliebig verfeinern – bis hin zur Abtastrate 192 Kilohertz und zu 24-Bit-Auflösung. Das kann den Klang, speziell mit externen Digital-Analog-Wandlern, durchaus noch einmal um eine Nuance veredeln.
Die Installation des Geräts geht flott von der Hand: Ein Antennenkabel stellt die Verbindung zur Satellitenschüssel her, ein Cinch-Kabel nimmt Kontakt mit dem Verstärker auf. Als Alternative sind auch digitale Tonverbindungen möglich; ein elektrischer und ein optischer Ausgang halten sich für den Datentransfer bereit. Fertig verkabelt, kann der kleine Restek sofort loslegen: Einschalten und mit dem Drehknopf auf der Frontplatte den gewünschten Sender auswählen, das ist alles, was das Gerät an Vorarbeiten verlangt, denn die Standard-Konfigurationen für den Astra-Empfang sind bereits ab Werk programmiert. Der Sendername erscheint, wie in der digitalen Radiowelt üblich, als Klartext auf dem Display, ebenso wie Texte, die als Zusatzinformationen ausgestrahlt werden.
Natürlich kann man später, auch mit Hilfe der Fernbedienung, eine Fülle zusätzlicher Justage-Arbeiten vornehmen. So warten zum Beispiel 99 Stationsspeicher darauf, sich die Lieblingsstationen des Hörers zu merken, und die Digitalausgänge lassen sich speziell für die Surround-Ausgabe einstellen – um nur einige der vielen Optionen zu nennen.
Der Klang des zierlichen Restek hat uns schlicht begeistert. Dass digitales Astra-Radio wesentlich transparenter, detailreicher, dynamischer und kräftiger klingt als UKW-Ausstrahlungen, ist uns aus alltäglicher Hörerfahrung längst bekannt. Wir sind andererseits hinlänglich vertraut mit dem Phänomen, dass auch die gelegentlichen Sünden der Hörfunk-Tonmeister, also der Einsatz von Kompressoren und anderer Klangverderber, via Digitalfunk noch deutlicher zutage treten – leider. Der Restek aber zeigt: Alles Gute aus dem Orbit kann noch gandioser tönen, plastischer, mit noch klarer konturierten Bässen und mit filigranerer Feinzeichnung. Keine der Großserien-Settop-Boxen für digitales Fernsehen reicht an dieses Niveau heran. Das rechtfertigt selbst die stolze Preisdifferenz: Um 990 Euro verlangt der Restek-Händler für den ersten echten High-End-Tuner des Digitalzeitalters. WOLFGANG TUNZE
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.09.2007 Seite T2