Samstag, 11. Juli 2009

Als Pfarrer hineingegangen, als Bischof herausgekommen

Markus Dröge überrascht in Berlin / Von Reinhard Bingener

Frankfurt, 17. Mai. Viermal wurden Stimmzettel ausgegeben, beschriftet, eingesammelt und ausgezählt, bis am Freitagabend in der Sankt-Bartholomäus-Kirche feststand, wer künftig evangelischer Bischof in der deutschen Hauptstadt sein wird. Bis zuletzt schien nicht ausgeschlossen, dass das Kirchenparlament der "Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz" keinen der drei vorgeschlagenen Kandidaten in fünf Wahlgängen mit der vorgeschriebenen Zweidrittelmehrheit wählt. In der Berliner Synode wäre das kein Novum. Der amtierende Berliner Bischof Wolfgang Huber war 1994 erst gewählt worden, nachdem sich in einem ersten Verfahren keiner der nominierten Kandidaten hatte durchsetzen können. Wenn der 66 Jahre alte Huber im Herbst seine Ämter als Berliner Bischof wie als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche aufgibt, wird sein Nachfolger im Bischofsamt Markus Dröge heißen.

Auf den ersten Blick ist es eine Überraschung, dass sich der weithin unbekannte, 54 Jahre alte Superintendent aus Koblenz gegen seine Mitbewerber, den Leiter der Evangelischen Akademie in Berlin, Rüdiger Sachau, und die Vizepräsidentin der Universität Erlangen, Johanna Haberer, durchsetzen konnte – zumal Dröge von Beginn an einen soliden Vorsprung hatte und diesen stetig ausbaute. Im ersten Wahlgang erhielt Dröge 55 von 122 Stimmen, im zweiten 60, im dritten 73 und im vierten dann die für eine Wahl exakt ausreichenden 82 Stimmen. Die Publizistik-Professorin Haberer erzielte mit 39, 43, 44 und zuletzt 36 Stimmen jeweils ein achtbares Ergebnis. Geradezu bestraft wurde hingegen Sachau, er erhielt im zweiten Wahlgang lediglich 15 Stimmen und schied aus. Im ersten Wahlgang hatten noch 24 Synodale für Sachau gestimmt, der auch "der kleine Huber" genannt wird und manchen als Favorit galt.

Sachau wird sich an dem Sinnspruch "Wer als Papst in das Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus" erbauen dürfen, dessen Wahrheit nicht auf die römisch-katholische Konfession beschränkt zu sein scheint. Evangelische Bischöfe indes werden sich fragen, ob das Berliner Wahlergebnis auf die speziellen Verhältnisse in der, wie der künftige Bischof Dröge formuliert, "spannenden und sicher auch spannungsreichen Kirche" Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zurückzuführen ist. Denn die Parallelen zur letzten vergleichbaren Wahl eines leitenden evangelischen Geistlichen, der Wahl des Kirchenpräsidenten in Hessen im vergangenen Herbst, sind kaum zu übersehen: Hier wie dort konnte sich der Favorit, der mit dem Establishment seiner Kirche identifiziert wurde, nicht durchsetzen. Beide Male konnten die Wortführer eines politisch hochengagierten Protestantismus – in Berlin war es die Rundfunkpredigerin Haberer, in Hessen der Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, Pfarrer Wolfgang Gern – keine Stimmen über die eigene Klientel hinaus gewinnen.

Der künftige Berliner Bischof Markus Dröge hat hingegen wie Volker Jung in Hessen lange Jahre als Pfarrer gedient, bevor er, wie auch Jung, eine regionale Leitungsaufgabe übernahm. Beide hielten ihre Bewerbungen in präsidialem Stil: Sie hoben die geistliche Dimension der Kirche hervor und kündigten an, zwischen den unterschiedlichen Strömungen in der Kirche zu moderieren. Sie kritisierten die Härten der Sparbemühungen und vermieden Festlegungen, wie sie den Reformkurs, den ihre Vorgänger äußerst dezidiert betrieben hatten, fortzusetzen gedenken.

Sein feines Gespür für die kirchliche Befindlichkeit bewies Dröge, als er vor der Synode von der "Ambivalenz-Wippe" sprach, auf der die Reformbemühungen stünden. Das Ziel, sich auf Kernaufgaben zu besinnen und kleinteilige Strukturen in größeren aufgehen zu lassen, sei eingebracht, nun wippe man aber zwischen "Ja" und "Aber". Als Bischof werde er, kündigte Dröge an, die Bedenken ernst nehmen, "Ziele gegebenenfalls etwas korrigieren, aber grundsätzlich an ihnen festhalten". Dass es nicht klug ist, sich zu früh in die Karten schauen zu lassen, weiß Markus Dröge. Er ist Sohn eines Diplomaten.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.05.2009 Seite 4


 

Gelernter Pfarrer

Viele hatten sich Hoffnungen gemacht, ihren Namen auf der Kandidatenliste für das Amt des Hauptstadtbischofs zu finden. Niemand hingegen ahnte, dass Markus Dröge auf dem Dreiervorschlag stehen würde. "Markus wer?", fragten selbst erfahrene Bischöfe nach der Nominierung. Den Hinweis auf Dröge hatte der Berliner Wahlausschuss vom Präses der rheinischen Kirche, Nikolaus Schneider, erhalten. Schneider kennt und schätzt die Arbeit, die Dröge seit 26 Jahren zunächst als Pfarrer und seit 2004 als Superintendent in Koblenz leistet.

Vier Wahlgänge waren nötig, bis am Freitagabend feststand, dass der 54 Jahre alte Dröge im Herbst von Wolfgang Huber das Bischofskreuz übernehmen wird. "Theologisch komme ich aus demselben Stall wie Huber", sagt Dröge. Auch er orientiere sich an den Erfahrungen der Bekennenden Kirche, an Dietrich Bonhoeffer und der Barmer Theologischen Erklärung. Als Huber 1994 für das Berliner Bischofsamt seinen systematisch-theologischen Lehrstuhl in Heidelberg verließ, begann Dröge gerade neben dem Pfarramt seine Heidelberger Dissertation zu verfassen.

Für die Wahl Dröges am Freitag dürfte aber weniger die Ähnlichkeit, sondern eher der Unterschied zu Huber ausschlaggebend gewesen sein. "Er ist der Professor, ich bin der gelernte Pfarrer", benennt Dröge die Differenz. Vor allem deshalb wurde Dröge vom Wahlaussschuss nominiert. In der Rolle des Pastors hat er die Synodalen der "Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz" in kurzer Zeit für sich eingenommen.

Mit Berlin verbindet Dröge bis jetzt vor allem die Geburtsurkunde. Weil er in Washington D.C. als Sohn eines Diplomaten und späteren Botschafters geboren worden ist, wurde diese im Jahr 1954 durch das Berliner Standesamt I ausgestellt. Nach Schulbesuchen in Bonn, Paris und Brüssel absolvierte Dröge nach dem Zivildienst zusätzlich ein "Freiwilliges Missionarisches Jahr" in einer therapeutischen Wohngemeinschaft für Drogenabhängige des CVJM. Von der pietistischen Frömmigkeit im CVJM sei er geprägt – auch wenn er sich später theologisch ein gutes Stück davon entfernt habe, sagt der mit einer Zahnärztin verheiratete Vater dreier Kinder. Wenn er bald von Rhein und Mosel an die Spree zieht, wird Dröge sich anstrengen müssen, auch nur annähernd das Gehör zu finden, das seinem Vorgänger stets sicher war. "Sicherlich wird es anders sein, als wenn der Berliner Bischof wie Huber zugleich auch Ratsvorsitzender der EKD ist", weiß Dröge.

Die Herausforderungen, die in Berlin, in Brandenburg und in der Oberlausitz auf Dröge warten, kann man kaum überschätzen: Keine andere Landeskirche der EKD hat ein solches Gefälle zwischen Ost und West und zwischen Stadt und Land zu bewältigen. Keine andere Kirche muss so um ihren Religionsunterricht kämpfen. Seine Kirche wird froh sein, wenn Dröge seine Kräfte in den zehn Jahren, für die er gewählt ist, auf seine Landeskirche konzentriert.       Reinhard Bingener


 

Pläne zur evangelischen Kirchenfusion gescheitert Niedersächsische Landeskirchen gegen Zusammenschluss

vL. HANNOVER, 17. Mai. Die Pläne eines Zusammenschlusses der fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen sind gescheitert. Am Wochenende sprachen sich die Landeskirchen Braunschweig und Oldenburg bei Landessynoden in Goslar und in Rastede dagegen aus. Zuvor hatte schon die kleine Landeskirche Schaumburg-Lippe das Vorhaben abgelehnt. Damit haben der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Huber, und die hannoversche Landesbischöfin Käßmann, die ihm im Amt nachfolgen könnte, Rückschläge erfahren bei ihrem Bemühen, die Zersplitterung der evangelischen Kirche zu mindern. Fünf der 22 evangelischen Landeskirchen Deutschlands haben ihren Sitz in Niedersachsen. Drei dieser Landeskirchen – Hannover, Oldenburg und Ostfriesland – sind neben der bremischen Kirche Gastgeber des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Bremen von diesem Mittwoch an.

Offenbar befürchten die kleineren Landeskirchen, von der hannoverschen Landeskirche, die mehr als drei Millionen Mitglieder hat, aufgesogen zu werden – Braunschweig und Oldenburg haben jeweils gut 400 000 Mitglieder, die Evangelisch-Reformierten in Leer knapp 200 000 und die schaumburg-lippesche Landeskirche nur gut 60 000: Hannover hat also dreimal so viele Kirchensteuerzahler wie die anderen vier Kirchen zusammen. Noch im März hatte die Konföderationssynode der fünf Kirchen beschlossen, über einen Zusammenschluss zu beraten und darüber bis September Wegweisungen zu geben. Die hannoversche Synode beschloss, diesen Reformprozess zu unterstützen.

Schmerzlich dürfte der Beschluss der Landessynode in Goslar für Bischof Weber sein, der als Vorsitzender der Konföderation die Fusionspläne angestoßen hatte und sagte, die Kirche sei nicht dazu da, regionale Identitäten zu begründen. Er gab sich dennoch "hochzufrieden", weil der Weg zu einer niedersächsischen Kirche "einen Türspalt offen geblieben" sei und eine mögliche engere Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen wurde. Die Synode der Landeskirche in Braunschweig begrüßte zwar seine Initiative, hielt aber ein Konzept und einen Zeitplan für die Schaffung einer einheitlichen Landeskirche "derzeit nicht für angebracht". Ein Pfarrer sagte in Goslar, Niedersachsen sei nicht maßgeblich, sondern nur "eine britische Erfindung nach dem Zweiten Weltkrieg". Ein Oberkirchenrat hielt entgegen, noch sei Braunschweig stark genug, bei einer Reform Forderungen zu stellen, wofür es in einigen Jahren zu spät sein könne.

Noch deutlicher war die Ablehnung der Oldenburger Synode in Rastede – die 60 Synodalen lehnten sie nahezu einmütig ab, nachdem auch Bischof Jan Janssen gesagt hatte, es sei derzeit nicht ersichtlich, welche inhaltlichen und finanziellen Vorteile eine Fusion bringe. Zuvor hatte schon die Synode in Bückeburg die Überlegungen als "verfrüht und kontraproduktiv" bezeichnet und als Gefahr genannt, das könnte als "von oben verordnet wahrgenommen" werden. Die Synode der fünften Kirche, der Reformierten, hatte im April zurückhaltend reagiert, wollte aber zunächst bis zum kommenden Frühjahr ihre 142 reformierten Gemeinden befragen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.05.2009 Seite 4


 


 


 


 

An Christi Himmelfahrt gegen die "Homo-Umpoler" In Marburg zieht ein "Kongress für Psychotherapie und Seelsorge" allerlei Hass auf sich. Von Claus Peter Müller

MARBURG, 17. Mai. Am Himmelfahrtstag steht Marburg eine Demonstration ins Haus. Unter dem Motto "Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus" ruft eine Initiative mit der Internetanschrift noplace.blogsport.de zum Aufmarsch gegen den "6. Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge" auf, der vom 20. bis zum 24. Mai in Räumen der Universität und der Stadt Marburg abgehalten werden soll. Der Demonstrationsaufruf, in dem die Initiatoren zur Absage des Kongresses und zum freien, selbstbestimmten Leben aufrufen, "in dem alle Menschen leben und lieben können, wen und wie sie wollen", ist mit der Darstellung von Schmetterlingen, einem Totenkopf und dem Abbild zweier knutschender britischer Polizisten gestalterisch aufgelockert. Die Akademie für Psychiatrie und Seelsorge, die den Kongress organisiere, verknüpfe therapeutische Beratung mit christlich-evangelikalen Lebensvorstellungen, behauptet die Initiative. Evangelikale gehörten einer rückwärtsgerichteten Strömung des Protestantismus an, die sich durch fundamentalistische Bibelauslegung, Absolutheits- und Missionierungsanspruch auszeichne und nach gesellschaftlichem Einfluss strebe. Die Kritiker sehen "unter dem Deckmantel der Wissenschaft reaktionäre evangelikale Kräfte" am Werk, die Homosexuelle "umpolen" wollten. Darum sei der Kongress zu verhindern.

Welche Methoden den Gegnern recht sein werden, ihr Ziel zu erreichen, lassen ihre Parolen erahnen, welche sie schon während der vergangenen Tage in Marburg "gegen Sexismus und Homophobie" auf Gebäude der Kirche, Schaukästen und Schaufenster gesprüht haben. Demonstrativen Beistand am Himmelfahrtstag haben die "Radicalhomos" aus Göttingen versprochen. Sie rufen auf zum "Angriff der Arschpiraten, Kampflesben und Trümmertransen" gegen den "evangelikalen Spinner-Kongress". Anmeldungen zur Busfahrt nach Marburg sind – auch ohne Namen – unter der Mailadresse "christenfisten@. . ." erbeten. "Fist" steht im Englischen für "Faust". "Fisting" bezeichnet aber auch eine Sexualpraktik.

Um ihren Aufruf gleichsam zu rechtfertigen, zitieren die "Radicalhomos" den Arzt Dietmar Seehuber mit den Worten, Homosexualität sei eine schädliche Verhaltenskonsequenz ungesunder Sexualität. Aber so falsch wie dieses Zitat, das Seehuber nach eigenem Bekunden niemals geäußert hat, sind nach Ansicht der Kongressveranstalter auch die Vorwürfe der Kongressgegner. Die lautstarken Kritiker finden jedoch Gehör, während die Kongressveranstalter kaum durchdringen.

Seehuber, Vorstandsmitglied der "Akademie für Psychotherapie und Seelsorge" (APS), und Martin Grabe, erster Vorsitzender der APS, sagen unter Berufung auf das Kongressprogramm, es gehe um "Identität. Der rote Faden in meinem Leben", nicht um Homosexualität. Niemand wolle Menschen umpolen oder verlange Zwangsmaßnahmen. Erschrocken und erschüttert seien sie, beide Chefärzte an den evangelischen Psychotherapiekliniken Hohe Mark in Oberursel bei Frankfurt, über die Wucht des Hasses, der ihnen entgegenschlage, und über den Etikettenschwindel, der mit der Behauptung des "Homoheiler-Kongresses" herbeigeschrieben werde: "Das sind wir nicht, und das werden wir nicht sein."

Die Akademie wurde im Jahr 2000 gegründet. Grabe beschreibt sie als berufsgruppen- und konfessionsübergreifend. Voraussetzung für die Mitgliedschaft "ist eine persönliche Glaubensüberzeugung im Sinne der Deutschen Evangelischen Allianz, jedoch nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche oder Konfession". An dem Kongress nehmen knapp 130 Referenten und 1000 Ärzte, Psychotherapeuten und Seelsorger teil. Den Eröffnungsgottesdienst in der Elisabethkirche wird die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler halten, die sich kaum in das Schema der reaktionären Fundamentalistin fügen lassen dürfte. Den Zorn der Gegner des Kongresses haben aber vor allem Markus Hoffmann sowie die Ärztin Christl Ruth Vonholdt hervorgerufen. Hoffmann ist Gründer und Leiter der Beratungs- und Seelsorgeorganisation Wüstenstrom im baden-württembergischen Tamm. Er gilt seinen Gegnern als Vertreter der "Ex-Gay-Bewegung", als "geheilter Schwuler", was unter einem Teil der Homosexuellen offenkundig tiefen Hass hervorruft. Frau Vonholdt wiederum ist Leiterin des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft der Offensive Junger Christen. Grabe und Seehuber versicherten in Marburg, Hoffmann und Frau Vonholdt hätten klargestellt, dass Homosexualität keine Krankheit sei und sie einen "Zwang" zur Therapie ablehnten.

Die Kommunität "Offensive Junger Christen", sagt Frau Vonholdt auf Nachfrage, gehöre zur Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie nehme immer wieder Menschen auf, denen ihre Homo-, Bi- oder Transsexualität Leiden bereite und die deshalb "aussteigen" wollten. Die sexuelle Neigung sei nicht zu steuern, "die ist da". Es gehe also nicht darum, diese Menschen umzudrehen, sondern ausschließlich um eine tiefgehende Auseinandersetzung mit emotionalen Verletzungen aus der Kindheit, in welchen die Homosexualität ihren Ursprung haben könne. In Deutschland gebe es zu wenige Therapeuten, um Menschen, die sich die Abnahme ihrer homosexuellen Empfindungen wünschten, fachgerecht zu begleiten. Das Thema sei tabuisiert.

Für Volker Beck, den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, ist das Thema, das Frau Vonholdt beschäftigt, keines. Er fordert die Distanzierung von den "Homo-Umpolern". Die "vermeintlichen Therapieangebote" könnten schwere Schäden hervorrufen. Referenten wie Frau Vonholdt oder Hoffmann stellten auf dem Kongress zwar nur eine Minderheit. Aber "würde man es wagen, wenn auf einer großen Akademietagung für Historiker ein Referent mit antisemitischen Positionen auftreten würde? Würde man sagen, Antisemiten seien nur eine kleine Minderheit auf dem Kongress, er solle ruhig auftreten? Ich hoffe nicht!" Die APS suchte daraufhin das Gespräch mit Beck. Dessen Büro bedankte sich bei der APS, ließ aber wissen, einen Termin mit "Homo-Umpolern" nehme er ebenso wenig wahr, "wie er auch nicht mit Antisemiten über die jüdische Religion diskutiert". Die APS wies den Vergleich mit Antisemiten zurück. Ein Treffen von Beck und Vertretern der APS kam nicht zustande. Auch der Allgemeine Studentenausschuss in Marburg, der sich gegen den Kongress positioniert hatte, nahm das Gesprächsangebot der APS nicht an. Vertreter des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland trafen sich dagegen mit Grabe und Seehuber. Der Verband schilderte das Gespräch als freundlich, aber ergebnislos, denn die APS habe an den umstrittenen Referenten festgehalten.

Marburgs Oberbürgermeister Vaupel (SPD) sieht unterdessen keine Veranlassung, die Ausrichtung des Kongresses in der Marburger Stadthalle zu untersagen: "Sollte es zutreffen, dass Herr Hoffmann und Frau Vonholdt Positionen vertreten, die sich gegen homosexuelle Identitäten und Lebensweisen richten, distanziere ich mich." Das könne aber nicht bedeuten, den Mietvertrag zu kündigen. Auch die Hochschule sieht keinen Grund, die Mietverträge zu kündigen. "Solange sich die Leute auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen, haben wir keinen Grund", die Veranstaltung zu verhindern.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.05.2009 Seite 4